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Gefährlicher Einsatz zwischen allen Fronten

■ Die im Kosovo stationierten Nato-Soldaten sind Ziel bewaffneter Angriffe serbischer Paramilitärs. Kosovo-Albaner verhöhnen und attackieren abziehende Serben, Bundeswehrsoldaten müssen wiederholt eingreifen. Zwei Stern-Journalisten im Hinterhalt ermordet

Berlin (taz) – Im Kosovo wird weiter geschossen. Nach dem ersten Jubel, mit dem Kosovo-Albaner die einrückenden KFOR-Streitkräfte als Befreier begrüßten, werden vielerlei neue Fronten mit schwer einschätzbaren Risiken offensichtlich: In Prizren im Süden des Kosovo wurden Bundeswehrsoldaten von serbischen Paramilitärs angegriffen. Britische Fallschirmjäger erschossen einen jugoslawischen Polizisten, der seine Pistole auf eine Nato-Patrouille abgefeuert hatte.

In der Nähe von Dulje bei Suva Reka, rund 40 Kilometer südlich von Pritina, wurden zwei Reporter des Stern und ein weiterer Journalist, möglicherweise deren Übersetzer, erschossen. An vielen Orten werden abziehende jugoslawische Soldaten und serbische Zivilisten beschimpft und mit Steinen beworfen. Aus Angst vor dem ihnen entgegenschlagenden Haß und vor Vergeltungsaktionen verlassen Tausende von Serben in Konvois die Provinz. In Pritina plünderten sie noch unter den Augen der KFOR-Truppen Wohnhäuser und setzten sie in Brand.

Und der Konflikt zwischen russischen und britischen Soldaten um die Kontrolle des Flughafens von Pritina ist trotz politischer Bemühungen auf höchster Ebene nach wie vor nicht beigelegt. Gestern besprachen US-Präsident Bill Clinton und Rußlands Staatschef Boris Jelzin erneut telefonisch die russische Forderung nach einem eigenen Sektor im Kosovo. Clinton und Jelzin wollen am kommenden Sonntag während des G-8-Gipfels in Köln zusammentreffen.

In Prizren waren Soldaten der Bundeswehr am Sonntag plötzlich aus einem zivilen Pkw heraus beschossen worden. Sie erwiderten das Feuer und erschossen den Fahrer, einen Serben, ein weiterer Insasse starb wenig später im deutschen Lazarett.

Das deutsche KFOR-Kontingent in der zweitgrößten Stadt des Kosovo sollte gestern auf 2.400 Mann anwachsen. Insgesamt sind seit Samstag 14.300 KFOR-Soldaten aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und den USA ins Kosovo einmarschiert.

Bei den Stern-Reportern handelt es sich um den 56 Jahre alten Fotografen Volker Krämer und den 35 Jahre alten Auslandsredakteur Gabriel Grüner. Nach Berichten anderer Journalisten sollen die beiden Erschossenen in einen Hinterhalt gelockt worden sein. Die Täter hätten ihnen zunächst versprochen, sie zu einem Massengrab zu führen. In der Redaktion des Stern hat man die Nachricht vom Tod der beiden Kollegen mit Trauer und Erschütterung aufgenommen.

Serbische Medien berichten – allerdings als einzige – von Auseinandersetzungen zwischen KFOR-Truppen und Kämpfern der UÇK. Britische Elitesoldaten des Ghurka-Regiments hätten gestern in Kacanik 70 Soldaten der UÇK entwaffnet, in Prizren seien am Tag davor drei UÇK-Kämpfer getötet worden. Wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, übernahmen mehr als 300 UÇK-Kämpfer in Prizren gestern die Kontrolle über mehrere Stadtteile, wo sie Häuser und Fahrzeuge nach Waffen durchsuchten. Die OSZE meldete, Kämpfer der UÇK hätten den albanischen Grenzkontrollpunkt Morini in ihre Kontrolle gebracht. Stefan Schaaf

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