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■ Die Kosovo-Albaner bejubeln den serbischen Abzug. Doch schon bald kann es zur Konfrontation zwischen UÇK und Nato kommenUnd was jetzt?

Der Krieg ist vorerst beendet. Die jugoslawische Armee, die serbische Polizei und die paramilitärischen Einheiten ziehen sich aus dem Kosovo zurück. Die Nato marschiert ein, und die bewaffneten Kämpfer der UÇK ziehen aus Wäldern und Bergen siegreich in die Städte. Flüchtlinge kehren freudestrahlend aus Makedonien, Albanien und Montenegro in ihre zerstörte Heimat zurück, und Serben verlassen massenhaft angsterfüllt ihr Zuhause. Sie fürchten die Rache der Albaner, glauben nicht, daß sie Nato-Truppen vor der Vergeltung der UÇK beschützen können. Noch bis zum Einbruch des Winters wird die „Wiege des Serbentums“ mehr oder weniger serbenfrei sein.

Doch ein ethnisch reines Kosovo unter Kontrolle von 50.000 schwerbewaffneten Nato-Soldaten, planmäßig befreit von der zehnjährigen Repression des serbischen Staates – die massenhafte Flucht der serbischen Zivilbevölkerung wurde dabei ungeplant in Kauf genommen –, ist nicht die endgültige Lösung, sondern der Beginn einer ganzen Reihe von Problemen, die auf die internationale Gemeinschaft zukommen. Ob sie darauf, anders als sonst auf dem Balkan, vorbereitet ist, wird sich in Kürze zeigen.

Der militärische Sieg der Nato ist eindeutig – und die UÇK kann sich daran hängen. Doch den Traum aller Kosovo-Albaner – ein unabhängiges, souveränes Kosovo –, den haben sie nicht erreicht. Im Kosovo wird, und im Gegensatz zu Bosnien auch noch unverhüllt, ein internationales Protektorat eingeführt. Nicht die Kosovo-Albaner, sondern Amerika und EU werden bestimmen, wer die Provinz, die formal im Rahmen Serbiens bleiben wird, regiert. Ob es der bisherige moderate, vom Westen unterstützte politische Führer Ibrahim Rugova, sein wird oder die bornierte UÇK.

Der Westen hat genug von den neuen, kleinen, problematischen Staaten. Die Nato, die sich auf einen sehr langen Aufenthalt im Kosovo vorbereitet, soll nicht nur einen möglichen Einmarsch der jugoslawischen Armee verhindern, sondern mit Waffengewalt jeden Versuch ersticken, aus dem Kosovo einen unabhängigen Staat zu machen. Denn zu gefährlich wäre die zu erwartende Kettenreaktion in Makedonien, wo Albaner fast ein Drittel der Bevölkerung ausmachen und kompakt an der Grenze zum Kosovo leben. Das gleiche gilt für das ethnisch zerstückelte, nur mit Waffengewalt zusammengehaltene Bosnien.

Ein brutale Besatzungsmacht hat das Kosovo verlassen, doch sehr bald, nach dem ersten Glücksgefühl, die Serben losgeworden zu sein, werden viele Albaner auch die Nato nicht als Schutzmacht, sondern als eine zwar weniger brutale, aber doch eine Besatzungsmacht betrachten. Spätestens wenn der britische Oberkommandierende General Jackson den Befehl bekommt, die politischen Ziele des Westens durchzusetzen.

Wenn es zu dieser Ernüchterung kommt, sollte die Nato lieber darauf vorbereitet sein, daß zumindest ein harter Kern der UÇK den bewaffneten Kampf um die ersehnte Unabhängigkeit des Kosovo fortsetzen wird. Die albanische Guerilla könnte bald die Waffen gegen den bisherigen Verbündeten richten. Genügend terroristische Erfahrung hat die UÇK ja in jahrelangen Angriffen auf serbische Polizisten gesammelt. Doch dafür sind ja auch die britischen Spezialeinheiten da, die in Irland gelernt haben, wie man mit lästigen Freiheitskämpfern umgeht. Derzeit versucht die Nato erst einmal gar nicht, die UÇK zu entwaffnen. Ein paar Tage will man es ihnen gönnen, sich als Helden von ihrem Volk feiern zu lassen. Doch was passiert danach?

Die UÇK-Führung wurde nur mit Mühe und Not in Rambouillet gezwungen, den Friedensplan der internationalen Gemeinschaft zu unterzeichnen, der eine Unabhängigkeit des Kosovo ausschließt. Es gab damals sogar einen Putsch innerhalb der UÇK, die Hardliner wollten über gar nichts anderes als ein souveränes Kosovo verhandeln. Das mindeste, worauf sich die UÇK einlassen wollte, ist, daß sie als legale Streitmacht des Kosovo vom Westen anerkannt wird.

Während die ganze Welt mit dem sensationellen Einmarsch der Nato ins Kosovo, der größten Aktion der Allianz seit ihrer Gründung, beschäftigt ist, versucht Miloevic die Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. Er zieht mit seiner Suite durch sein zerstörtes Land, läßt sich als Friedensstifter und erfolgsgekrönten Feldherrn feiern und verspricht dem Volk den sensationellen Wiederaufbau, nun, da der Verteidigungskrieg dank seiner „weisen Friedenspolitik“ zu Ende sei.

Staatliche Medien zeigen Volksmassen, die ihn frenetisch begrüßen, sich hysterisch um seine Leibwächter drängen, vergeblich versuchen, den „Retter des serbischen Volkes“ zu berühren. Kameras zeichnen berauschte, hingerissene Gesichter auf, viele tragen ein großes Foto des Präsidenten, manche skandieren: „Slobo! Slobo!“

Und es gelingt. Vorerst zumindest. Die Freude, daß keine Bomben mehr fallen, ist riesig. Nach Slowenien, Kroatien und Bosnien hat man noch einen, und zwar den heftigsten Krieg mit der gewaltigsten Kriegsmaschinerie der Geschichte, überlebt – überleben heißt in Serbien wohl siegen, also feiert man erst einmal den Sieg. Viele, doch nicht alle.

Der Krieg in Kroatien endete mit einem Exodus der Serben. Hunderttausende von serbischen Flüchtlingen überfluteten Serbien. Das Regime feierte den Sieg. Nach einem blutigen Krieg in Bosnien mußten die Serben in der „Republika Srpska“ in Dayton ihre so begehrte Unabhängigkeit, den Anschluß an das Mutterland, aufgeben. Das serbische Regime feierte den Sieg. Nun feiert man den Sieg, und Flüchtlingskolonnen der Serben aus dem Kosovo befinden sich auf dem Weg nach Serbien. Nur wissen das die meisten Serben in Serbien noch nicht.

Es ist schwer abzusehen, was geschieht, wenn sie erfahren, daß Serben massenhaft das Kosovo verlassen, daß Serbien im Kosovo nichts mehr zu sagen hat, daß die Nato die Staatsgrenzen kontrolliert, daß auf der „heiligen serbischen Erde“ nur noch Albaner schreiten, daß die mittelalterlichen serbisch-orthodoxen Klöster von Serbien abgeschnitten sind. Und was geschehen wird, wenn keine Finanzhilfe aus dem Ausland kommt und wenn der pompös angekündigte Wiederaufbau Serbiens ins Stocken gerät. Wenn es im Winter nicht genügend Strom gibt, nicht geheizt werden kann, wenn die soziale Not mit nie dagewesener Härte zu drücken anfängt.

Die EU kündigte es in Bonn verhüllt an, und Verteidigungsminister Scharping donnerte unmißverständlich: Solange der Kriegsverbrecher Miloevic an der Macht bleibt, wird nichts aus der Hilfe des Westens.

Es ist ein schöner runder Teufelskreis: Denn ein armes, ins Steinzeitalter gebombtes, vom demokratischen Westen isoliertes Land mit einem absolutistischen Regime ist nicht gerade ein fruchtbarer Boden für Demokratie. So wird Serbien sich selbst und Miloevic ausgeliefert.

Immer noch herrscht in Serbien das Kriegsrecht. Noch immer steht die Opposition mit dem Rücken zur Wand, in unabhängigen Medien kann man vorsichtig formulierte, kritische Töne nur zwischen den Zeilen lesen. Und das gesamte Heer, die Polizei und die Paramilitärs, die die Herrschaft Miloevic' im Kosovo durchgesetzt haben, kommen nun nach Serbien. Ein frustriertes Heer, eine nervöse Polizei.

Die meisten sind keine Kriegsverbrecher, es sind 19jährige Jungen, die ihren Wehrdienst geleistet haben. Oder Polizisten, die gegen albanische Terroristen für ihr Land gekämpft haben und genauso wie die UÇK nun erwarten, als Helden betrachtet zu werden. Daß sich die Männer in Uniformen gegen das Regime wenden werden, ist weniger wahrscheinlich, eher schon, daß sie weiterhin das Vaterland verteidigen, diesmal gegen die „Fünfte Kolonne“.

Die serbische Opposition ist schwach und verzankt. Sie versucht das Volk zu überzeugen, daß Miloevic für den Krieg, für den Verlust des Kosovo und den jüngsten Exodus der Serben verantwortlich ist. Immer noch ängstlich, erfolglos. Unerwartet kam jedoch die schärfste Kritik vom heiligen Synod der serbisch-orthodoxen Kirche: Miloevic solle sich zurückziehen, um dem Volk ein menschenwürdiges, gottesfürchtiges Leben zu ermöglichen, heißt es kristallklar in der Bischofserklärung.

Und was jetzt? In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Serbien in endlose Apathie verfällt oder ob Unruhen mit ungewissem Ausgang das Land erschüttern werden. Andrej Ivanji

Die Kosovo-Albaner wollen die Unabhängigkeit – die Nato will das verhindern

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