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Sipri: Kosovo-Konflikt ist neue Form des Krieges

■ Friedensforschungsinstitut fordert Regeln für humanitäre Militäreinsätze. Deutschland ist mit Verkäufen von fast zwei Milliarden Mark der viertgrößte Waffenexporteur der Welt

Der Nato-Angriff auf Jugoslawien ist nach Einschätzung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri eine neue Form des Krieges. Wie das renommierte Institut in seinem gestern in Stockholm vorgestellten Jahresbericht erläuterte, sei es kein Krieg um die Vorherrschaft der mächtigsten Staaten dieser Welt. Vielmehr sei der Kosovo-Konflikt als möglicher Vorbote für die Kriege des 21. Jahrhunderts durch die „massive Verletzung der Menschenrechte, die Verfolgung von Minderheiten und durch ethnische Säuberungen“ verursacht worden.

Zwar muß die staatliche Integrität laut Sipri weiter Grundlage des internationalen Rechts bleiben. „Absolute“ Souveränität könne es aber nicht mehr geben. Ungelöst sei bisher, wer das Recht habe, einen Staat zur Respektierung der Menschenrechte zu zwingen. Kein Staat habe darauf ein Monopol, auch nicht die USA, die über die mächtigste Militärmacht verfügten und laut Sipri „versucht sind, eine hegemoniale Sicherheitspolitik zu führen“.

Die Verletzung der Souveränität bei humanitären Militäreinsätzen ist laut Sipri nur dann legitim, wenn sich eine „kritische Masse von Staaten“ dafür ausspreche. Im Völkerrecht gebe es in dieser Frage große Lücken. Sipri fordert deshalb nicht weniger als eine „neue Weltordnung, die nicht nur Erklärungen über die Menschenrechte und Minderheitenrechte festlegt, sondern auch Mechanismen bestimmt, wie diese Ordnung wiederhergestellt werden soll, wenn sie verletzt wurde.“

1998 zählte Sipri weltweit 27 größere bewaffnete Konflikte, zwei mehr als im Vorjahr, aber acht weniger als 1989. Bis auf zwei Konflikte (Eritrea/Äthiopien und Indien/Pakistan) sind es innerstaatliche Kriege. 1998 brachen sechs neue Kriege aus, bis auf den Kosovo-Konflikt alle in Afrika. Dort gibt es derzeit elf Kriege, die durch eine Kombination aus schwachen Staaten und dem Reichtum an natürlichen Ressourcen strukturell begünstigt würden.

1998 sanken die weltweiten Militärausgaben laut Sipri gegenüber dem Vorjahr um 3,5 Prozent auf 745 Milliarden US-Dollar oder 145 Dollar pro Kopf. Hauptursache waren Rückgänge in Rußland um 55 Prozent und in den USA um 4 Prozent. Beide Staaten haben allerdings Steigerungen für dieses Jahr angekündgt. Gegenüber 1987 sind die weltweiten Rüstungsausgaben um ein Drittel gesunken. Weiterhin steigen sie trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise nur in Asien in der letzten Dekade um 27 Prozent. Taiwan löste inzwischen Saudi Arabien als größter Waffenimporteur ab.

Weltgrößter Waffenproduzent und -exporteur sind weiter die USA, die fast die Hälfte aller Waffen herstellen. Frankreich und Großbritannien produzieren jeweils zehn Prozent, Deutschland, Rußland und Japan je rund vier. Bei den Exporteuren lagen die USA 1998 vor Frankreich, Rußland, Deutschland. Die Bundesrepublik exportierte laut Sipri Rüstungsgüter für knapp zwei Milliarden Mark, im Vorjahr waren es 1,28 Milliarden. han/AFP

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