: Der Streit um Landkarten geht weiter
■ Peking akzeptiert amerikanische Erklärung zum Belgrader Botschaftsangriff nicht
Es blieb bei den veralteten Landkarten. Die seien dafür verantwortlich gewesen, daß am 7. Mai drei Nato-Geschosse versehentlich die chinesische Botschaft in Belgrad trafen, drei Menschen töteten und zwanzig verletzten. Das berichtete der amerikanische Topdiplomat Thomas Pickering dem chinesischen Außenminister Tang Jiaxuan auf seiner Bußmission in Peking, die gestern mit dem vorauszusehenden Eklat endete. Denn die chinesische Regierung glaubt nicht an falsche Landkarten im Pentagon.
Folglich zeigte sich Außenminister Tang „nicht überzeugt“. Nachdem er und sein Stellvertreter fünf Stunden lang den Ausführungen amerikanischer Militär- und Geheimdienstexperten lauschten, die nach offizieller US-Darstellung „einen Haufen ernster Versehen und Fehler eingestanden“, war es für die chinesische Seite am Ende noch schwerer zu glauben, daß „so viel auf einmal zur gleichen Zeit schiefgelaufen sei“. Statt weiterer Details wünschte sich der chinesische Außenminister nun „eine anständige Erklärung“. Offiziell ließ er verlauten: „Die chinesische Regierung und das Volk können die Schlußfolgerung, daß es sich bei der Bombardierung um einen Fehler gehandelt habe, nicht akzeptieren.“
Tasächlich ging es bei der Aufklärung der Katastrophe nie darum, was in der Nacht zum 7. Mai im Himmel über Belgrad wirklich schieflief. Entscheidend ist vielmehr, ob „die Verantwortlichkeiten deutlich werden“, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Besuch in Peking kurz nach dem Bombenangriff gefordert hatte. Das ist aus chinesischer Sicht bislang nicht geschehen. Alles was es bisher gab, waren Entschuldigungen von Schröder, Blair und Clinton und das gestrige Angebot des stellvertretenden US-Außenministers Pickering, die chinesischen Opfer von Belgrad zu entschädigen. Unberücksichtigt blieben die Forderungen Pekings nach Bestrafung der Verantwortlichen und nach der Veröffentlichung aller Vorgänge.
Der kritische Punkt ist die Bestrafung der Verantwortlichen. Denn ein Fehler läßt sich entschuldigen, aber ein Verbrechen wird bestraft. Washington fürchtet, daß jedes Einlenken zu Hause als falsche Geste gegenüber kommunistischen Diktatoren gegeißelt werden könnte. Die chinesische Regierung will nicht nachgeben, weil die Medien der Bevölkerung längst eingebleut haben, daß es sich bei der Botschaftsbombardierung um ein absichtliches Verbrechen der Nato handelte. Die einzige Kompromißmöglichkeit läge vermutlich darin, daß Washington oder die Nato ein paar hohe Militärs degradieren. Doch nichts deutet darauf hin, daß Washington oder Brüssel dem chinesischen Verlangen nachgeben werden. Was bleibt, ist Propaganda auf beiden Seiten. Was fehlt, ist gute Diplomatie, die dem Landkartenstreit ein Ende setzt.
Georg Blume, Peking
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