: Kirche und Krieg
Mit Beginn des Bombenkriegs hat sich die serbische Kirche in die Phalanx der Belgrader Nato-Gegner eingereiht. Bischof Artemije gratulierte Mitte April sarkastisch zu den „wirklich glänzenden Resultaten“ der Bombardements: „Ihr habt viele Kasernen und andere militärische Objekte getroffen, viele Fabriken und Wohnviertel zerstört, viele Brücken und Radioverbindungen zerfetzt, habt Tod und Wunden gesät (...) und ein ganzes Volk in die Keller getrieben. (...) Natürlich tut uns das alles weh, vor allem deswegen, weil wir das in keiner Weise verdient haben. (...) Wenn jemand Kinder wegen der Vergehen oder Verbrechen ihrer Eltern bestraft oder tötet, dann ist er selbst ein Verbrecher. Wenn er das massenhaft und unter Kriegsbedingungen tut, dann ist er ein Kriegsverbrecher und gehört vor das Haager Tribunal. Was ist der Unterschied zwischen solchen Verbrechern und Ihnen, wenn Sie anordnen, wegen der Vergehen und Verbrechen des Herrn Miloevic Hunderte von Tonnen Sprengstoff auf die Köpfe eines unschuldigen Volkes und seiner Kinder abzuwerfen?“
Im Vergleich dazu fielen die Mahnungen, die Artemije kurz vorher an sein eigenes Volk gerichtet hatte, eher lau aus: „Leider hören wir, zu unserer Schmach und Schande, daß an vielen Orten wahnsinnige Einzelpersonen oder Gruppen die Abwesenheit von Gesetz und Ordnung ausnutzen und einander Böses antun, die Werkstätten und Häuser ihrer Nachbarn aufbrechen, sich gegenseitig kidnappen, quälen und töten. Durch solche Taten vermehrt sich das Böse, und es wird uns am Ende treffen wie ein Bumerang, nur mit noch größerer Wut und Kraft.“
Aus serbischer Perspektive erscheint Artemije damit als gemäßigte Kraft – vor allem im Vergleich zu seinen ehemaligen Weggefährten. Denn die Bischöfe Amfilohije und Atanasije brachten es in einer gemeinsamen Erklärung fertig, das Leid der Albaner überhaupt nicht zu erwähnen. Statt dessen warfen sie den Europäern und Amerikanern vor, sie sperrten „das serbische Volk in ein Konzentrationslager“.
Die serbische Bischofsversammlung hat sich dieser radikalen Sprache nicht angeschlossen, wurde aber von der Wahrnehmungsblockade der eigenen Öffentlichkeit voll erfaßt. Erst die „wahnwitzigen Bombardements“ der Nato, verkündeten die Oberhirten Mitte Mai, hätten „die Flucht Hunderttausender von Menschen“ provoziert, „die aus Angst vor dem Bombentod davonlaufen“.
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