: Enfant terrible der iranischen Dissidentenszene
■ Der Studentenführer und Publizist Heschmatollah Tabarsadi sitzt in Teheran im Gefängnis
Berlin (taz) – Einst war er ein glühender Anhänger Ajatollah Chomeinis, jetzt sitzt er wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das islamische System“ im Gefängnis. Am Samstag berichteten iranische Zeitungen, ein Revolutionsgericht habe die Festnahme von Heschmatollah Tabarsadi verfügt. Begründung: Der Generalsekretär des Islamischen Studentenverbandes habe in seiner Zeitschrift Howiat-e Chisch (Unsere Identität) Dinge verbreitet, „die sich gegen die Ordnung und das öffentliche Interesse richten“. Ebenfalls verhaftet wurde der Redakteur Hossein Kaschani.
Tabarsadi ist das Enfant terrible der inneriranischen Dissidentenszene. Einerseits ist er streng religiös, andererseits lehnt er das Prinzip des „welajat-e faqih“ ab – der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten, Grundlage der iranischen Theokratie. „Welajat-e faqih bedeutet die Herrschaft des Klerus. „Aber eigentlich sollte das Volk herrschen“, erklärte Tabarsadi im März gegenüber der taz und forderte eine Volksabstimmung über das Staatssystem. Das Gespräch fand in einem Versteck statt, denn der 39jährige Vater von sechs Kindern fürchtete Besuch von den „Ansar-e Hisbollah“ – den als Schlägertrupp berüchtigten „Anhängern der Partei Gottes“.
Mit ihnen hatte Tabarsadi bereits schmerzhafte Erfahrungen gemacht. 1997 überfielen religiöse Hooligans die Redaktion seiner damaligen Zeitung Pajam-e Daneschju (Mitteilungen der Studenten). Tabarsadi landete im Koma auf der Intensivstation. Wenig später wurden der Zeitung die Redaktionsräume entzogen; sie gehörten einer religiösen Stiftung. Obwohl er sich nach seinem Verständnis nur für einen „reinen Islam“ einsetzte , erhielt Tabarsadi Redeverbot an sämtlichen Universitäten des Landes. Dennoch machte er weiter. Halblegal produzierte er die Zeitung Nedai-e Daneschju (Appell der Studenten) und dann die jetzt inkriminierte Howiat-e Chisch.
Bei den Wahlen zu den Islamischen Kommunalräten im März meldete Tabarsadi seine Kandidatur an. Er wurde jedoch als „ungeeignet“ abgelehnt. Als im vergangenen Monat Studenten trotz Verbots auf dem Campus der Universität Teheran für Demokratie demonstrierten, war auch Tabarsadis „Islamischer Studentenverband“ dabei. Die Demonstration wurde mit Schlagstöcken aufgelöst. Auf die Frage, ob sein Engagement nicht lebensgefährlich sei, hatte Tabarsadi im März in bester schiitischer Märtyrertradition erklärt: „Na und? Jeder Kampf birgt in sich die Gefahr des Todes.“ Thomas Dreger
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