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Chinageschäft auf Kosten Tibets

Als Armutsbekämpfung getarnt, soll die Weltbank Pekings Umsiedlungspolitik finanzieren. Bundesregierung will die Entscheidung über das Projekt verschieben  ■   Von Sven Hansen

Berlin (taz) – Das Direktorium der Weltbank in Washington will heute über eines der umstrittensten Projekte der Bank der letzten Jahre entscheiden. Mit 40 Millionen US-Dollar soll im Rahmen eines Projekts zur Armutsbekämpfung in der chinesischen Provinz Qinghai die Umsiedlung von 58.000 Bauern 450 Kilometer weiter westlich in eine traditionell von Tibetern bewohnte Region finanziert werden. Qinghai ist Teil der alten tibetischen Provinz Amdo, die 1949 von der chinesischen Armee besetzt wurde. Die heutige chinesische Autonome Region Tibet umfaßt nicht einmal die Hälfte des alten Tibet, wie es vor der chinesischen Annektion bestand.

Bereits heute stehen den 6 Millionen Tibetern durch die Ansiedlung von Han-Chinesen im einstigen Tibet 7,5 Millionen Chinesen gegenüber. Durch das Projekt der Weltbank im Kreis Dulun in der Präfektur Haixi würde sich dort das Bevölkerungsverhältnis noch weiter zu Ungunsten der Tibeter verschieben – von 23 auf 14 Prozent, auch wenn im eigentlichen Umsiedlungsgebiet nach Angaben der Weltbank keine Tibeter leben. Bei den Umzusiedelnden handelt es sich um Han-Chinesen und Angehörige von Minderheiten, jedoch keine Tibeter.

Kritiker werfen der Weltbank vor, mit dem Projekt die Sinisierung Tibets zu unterstützen und zur Zerstörung der tibetischen Kultur beizutragen. „Mit dem Projekt wollen die chinesischen Behörden die Bevölkerungsstruktur Tibets verändern und sich den Zugriff auf reiche Rohstoffvorkommen sichern“, heißt es in einer Erklärung der Gesellschaft für bedrohte Völker. Die Bank würde damit gegen ihre eigenen Richtlinigen zum Schutz ethnischer Minderheiten verstoßen.

Die zahlreichen Kritiker des Projektes, zu denen auch die tibetische Exilregierung gehört, befürchten, daß auch auf Gefangenenarbeit zurückgegriffen werde. Denn in der Region seien zwei Arbeitslager. Kritisiert wird auch der vorgesehene Bau eines Staudamms, der das ökologische Gleichgewicht in der dünnbesiedelten Region gefährden könnte.

Der Vertreter der Weltbank in China, Yukon Huang, nimmt dagegen das Projekt in Schutz. Es sei ein ernsthafter Versuch, den Ärmsten in China zu helfen, sagte er vergangene Woche in Peking. Das Projekt sei sorgfältig geprüft worden. Dabei seien ökologische Aspekte ebenso berücksichtigt worden wie die Rechte der Minderheiten. Die Auswirkungen auf die Kultur der Tibeter sei „minimal“. Im unmittelbaren Umsiedlungsgebiet lebten nur 63 mongolische Nomadenfamilien.

Yukon räumte jedoch ein, daß die Entscheidung der Bank zugunsten des Projektes wegen der Kritik und der „großen Emotionen“ unsicher sei. So hat die US-Regierung signalisiert, daß sie die Kritik an dem Projekt teilt. Chinas Verhältnis zu den USA ist derzeit ohnehin angespannt, eine amerikanische Ablehnung des Projektes würde die beiderseitigen Beziehungen weiter verschlechtern. China soll seinerseits für den Fall einer Ablehnung damit gedroht haben, sein Verhältnis zur Weltbank grundsätzlich zu überprüfen. Die Führung in Peking wirft den Kritikern eine Politisierung des Projektes vor. Bei der heutigen Entscheidung geht es also um mehr als nur ein Projekt, zumal die Volksrepublik der größte Kunde der Weltbank ist.

Die Bundesregierung ist für eine Verschiebung der heutigen Entscheidung. Man wolle zuvor „den Vorwürfen und der Kritik der Nichtregierungsorganisationen nachgehen“, erklärte gestern eine Sprecherin des für die deutsche Vertretung in der Bank zuständigen Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit gegenüber der taz. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestragsfraktion, Ulrich Irmer, und die bündnisgrüne Vertreterin im Entwicklungs- und Menschenrechtsausschuß, Angelika Köster-Loßack, sprachen sich dagegen für eine deutsche Ablehnung des Projektes im Direktorium der Weltbank aus.

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