: Kellogg-Crunchytest für DAG und NGG
■ Lebensmittelgigant stellt die Gewerkschaften NGG und DAG auf die Probe. Gericht entscheidet heute, ob NGGlerInnen überhaupt für Lohnerhöhung streiken dürfen
Der Tarifstreit zwischen den Gewerkschaften und der Kellogg (Deutschland) GmbH in Bremen spitzt sich nach monatelangen, ergebnislosen Verhandlungen und dreimaligem Warnstreik jetzt offenbar zu. Doch während die Gewerkschaften NGG und DAG nach gescheiterten Lohnverhandlungen nun eigentlich langsam zum Streik für eine rund dreiprozentige Lohnerhöhung trommeln wollten, zog die Unternehmerseite offenbar die Handbremse – und trat dem Arbeitgeberverband der Nährmittelindustrie Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt bei. Das könnte schwerwiegende Folgen haben.
Seither nämlich beruft sich die Kellogg Geschäftsführung offenbar auf einen gültigen Tarifvertrag zwischen dem neugewählten Arbeitgeberverband Niedersachsen und der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten, berichten die Verhandlungspartner der Arbeitnehmerseite. Die Unternehmer sähen NGG-Mitglieder folglich in der Friedenspflicht. Die Urabstimmung über den eigentlich geplanten Streik sowie unbefristete Arbeitskampfmaßnahmen seien damit – für die NGG wenigstens – tabu. Das Unternehmen erwirkte dahingehend bereits eine einstweilige Verfügung. Bei Verstoß dagegen droht der Gewerkschaft eine Strafe von bis zu einer halben Million Mark. Den darüber entbrannten Streit zwischen Firmenleitung und Gewerkschaften wird das Bremer Arbeitsgericht heute entscheiden.
„Wir lassen uns nicht spalten“, kündigten die Verhandlungsführer der Arbeitnehmerseite, Werner Klimm (Deutsche Angestelltengewerkschaft DAG) und Lutz Apel (Nahrung, Genuß, Gaststätten) an. „Jahrelang haben wir einvernehmlich einen Haustarifvertrag mit Kellogg verhandelt, und jetzt will die Unternehmensleitung plötzlich nicht mehr daran, sondern an den Flächentarifvertrag gebunden sein.“ Das sei „Tarifflucht“ mit der durchsichtigen Absicht, das Lohnniveau in der Produktion drastisch zu senken.
Die rund 400 in der Produktion Beschäftigten, um deren Löhne es bei den letzten Tarifverhandlungen ging, sind bei Anwendung des nun ins Spiel gebrachten Flächentarifvertrags von deftigen Lohneinbußen bedroht, sagen Gewerkschaftsvertreter. Der Tarifvertrag in den Flächenländern mit einem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad sei nämlich „nicht besonders gut ausgefallen“, wie NGG-Mann Apel selbst einräumt. Monatlich rund 1.300 Mark weniger bekämen danach die Männer und Frauen, die bei Kellogg derzeit im Dreischichtbetrieb an den Bändern Müsli und Flocken machen und verpacken. Auf's Jahr gerechnet wären das rund 16.000 Mark. Derzeit liegt das Lohnniveau bei rund 4.500 Mark monatlich. Das sei deutlich mehr als in andern Betrieben der Nahrungsmittelbranche – aber dafür hätten NGG und DAG viele Zugeständnisse an den bisherigen Haustarifvertrag gemacht. „Der ist aufs Unternehmen maßgeschneidert und motiviert die Beschäftigten.“
„Hinter den neuen Problemen steckt die amerikanische Konzernleitung“, argwöhnt Werner Klimm. Die habe schon lange Druck gemacht – „und deswegen haben wir bei den Tarifverhandlungen in den vergangenen Jahren schon oft Kröten geschluckt“. Immer wieder sei dabei auch mit einer Stillegung des Bremer Cornflakes-Standorts gedroht worden – der einzigen deutschen Kellogg-Produktionsstätte. Nun, nachdem andere europäische Produktionsstandorte aufgegeben wurden, sollten offenbar andere Daumenschrauben angelegt werden. ede
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