: Liberaler Vordenker
■ Der Chef der deutschen Oberhirten, Bischof Karl Lehmann, hat eine steile Karriere hinter sich
Berlin (AFP/taz) - Über das Gesicht von Karl Lehmann huschte ein Lächeln. Auf die Frage, ob seine Chancen für eine Wiederwahl als Vorsitzender der Bischofskonferenz gestiegen seien, stapelte der oberste deutsche Oberhirte tief: Er werde sich von der Entscheidung seiner Amtsbrüder im September überraschen lassen. Dann könnten die Bischöfe Lehmanns diplomatische Leistung um die Schwangerenberatung mit der Wiederwahl honorieren.
Der Mainzer Bischof gilt als wichtiger Vordenker und „liberalster Vorsitzender, den die deutsche Bischofskonferenz je hatte.“ Seine Karriere begann mit einer brillanten Doktorarbeit über Reformen in der katholischen Kirche, sie brachte Lehmann, gerade 32jährig, den Ruf zum ordentlichen Theologieprofessor an der Uni Mainz ein. 1983 wurde er Bischof in Mainz, zwei Jahre später Vizechef der Bischofskonferenz und 1987 mit 51 Jahren als bisher jüngster Bischof deren Vorsitzender.
Wegen seiner Sachkompetenz und seines integrierenden Führungsstils erwarb sich Lehmann Sympathien und wurde im September 1993 für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. In dieser Zeit setzte er auf vorsichtige Reformschritte innerhalb der Amtskirche. Auch empfing er die Initiatoren des „Kirchenvolksbegehrens“.
Im Streit mit der Bundesregierung über das „Kirchenasyl“ sprach er Kirchengemeinden das Recht zu, „sich ausnahmsweise gegen staatliche Anordnungen zu stellen“. Unter seinem Vorsitz beschloß die Bischofskonferenz 1995, „vorläufig“ im staatlichen Beratungssystem für Schwangere zu bleiben.
Lehmann wird seit Jahren als Kandidat für die vom Papst verliehene Kardinalswürde gehandelt. Daß er dabei im Januar erneut übergangen wurde, gilt als Zeichen römischer Mißbilligung für Lehmanns zu liberalen Kurs. bpo
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