: „Verfolgungswahn und Größenwahn“
■ Auf einer Diskussionsveranstaltung an der FU verteidigte der Soziologe Bernd Rabehl seine rechtsextremen Thesen. Kritiker forderten ein Lehrverbot für den ehemaligen Studentenrebellen
Über Bernd Rabehl wird an der Freien Universtität seit Monaten diskutiert: Seine Rede vor der schlagenden Burschenschaft „Danubia“ Ende vergangenen Jahres, die in der neurechten Zeitung Junge Freiheit abgedruckt wurde, hat eine heftige Kontroverse ausgelöst.
Mit dem Soziologieprofessor Rabehl wollte jedoch an der FU danach niemand mehr diskutieren. StudentInnen gründeten ein „Bündnis gegen Rabehl“ und begrüßten ihn bei seinen Vorlesungen mit Trillerpfeifen. Eine öffentliche Aussprache, die bereits Anfang Mai geplant war, fiel aus. Am Mittwoch abend war es dann doch soweit: Das Otto-Suhr-Institut veranstaltete eine Diskussion mit Rabehl. Und: Der Hörsaal im Henry-Ford-Bau der FU war überfüllt, etwa 150 kamen. Mit Trillerpfeifen und Tröten protestierten einige StudentInnen sofort gegen Rabehls Kernthesen. Doch ihn schien das nicht zu stören, er schien es sogar zu genießen. Selbstgefällig stellte er sich vor das Rednerpult und sprach von „Überfremdung“, von „Partisanengruppen“ und „Stammeskulturen“, die zu einem „Desintegrationsprozeß“ in Deutschland führten. Rudi Dutschke und er hätten den Nationalismus gegen den „Verfall innerer Werte“ stellen wollen.
Obwohl ein ehemaliger führender Kopf der Studentenrevolte diese provokante Thesen in der FU propagierte, blieb es beim Pfeifkonzert und vereinzelten empörten Ausrufen. Als es so laut wurde, daß Rabehl nicht mehr zu verstehen war, betrat der Parteienforscher und Experte für Rechtsextremismus, Richard Stöss, das Podium. Er kam schnell zu einem eindeutigen Ergebnis: „Verfolgungs- und Größenwahn charakterisieren dieses Papier. Das ist typisch für eine rechtsextreme Ideologie.“ In Rabels Geschichtsauslegung manifestiere sich laut Stöss der Verfolgungswahn. Die SDS-Veteranin Ines Lehmann spach ebenfalls vom „Wahnhaften“ ihres ehemaligen Mitstreiters. Dahinter verberge sich der Wunsch, „Geschichte, zu schreiben“ und das „Interpretationsmonopol“ der 68er-Generation für sich zu beanspruchen: „Er hat nicht mehr das Recht, an der FU zu lehren. Die Geschichte der Apo ist zu wichtig für das Selbstverständnis der BRD.“
Auch Frank Dingel, Mitarbeiter der Stiftung Topographie der Terrors, warf Rabehl vor, die Ziele der 68er-Bewegung zu verdrehen. Seine „klassische Führervorstellung“ widerspräche „dem Politikverständnis der antiautoritären Bewegung“.
Als Rabehl nach diesen Äußerungen wieder das Podium betrat, lächelte er immer noch. Es verwundere ihn, daß man ihm mit „soviel Haß“ begegne. Seine stoische Haltung unterstrich Stöss' These, Rabehl sehe sich und Rudi als „Leuchttürme in einer unwissenden Gesellschaft“.
Der Moderator der Diskussion, Politologieprofessor Wolf-Dieter Narr, sorgte dafür, daß sich die Stimmung im Saal nicht aufschaukelte. Obwohl auch er Rabehls Äußerungen als „unverantwortliches Gerede“ und „intellektuelle Schuld“ wertete, forderte er als „Extremist der Diskussion“ die Auseinandersetzung. Die Beiträge der StudentInnen und MitarbeierInnen der FU, die an das Rednerpult traten, kreisten um die Frage, wie mit Rabehl zukünftig umzugehen sei. Muß er die Universität wegen seiner Meinung verlassen? Oder soll die Auseinandersetzung fortgesetzt werden? Doch die zweieinhalb Stunden reichten bei weitem nicht aus, um alle, die sich äußern wollten, zu Wort kommen zu lassen. Die Diskussion an der FU über und mit Rabehl wird weitergehen. Julia Weidenbach
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