: Ab durch die Neue Mitte: Hombach muß ins Kosovo
■ Bundeskanzler Schröder nominiert seinen ungeliebten Kanzleramtsminister als EU-Koordinator für den Balkan-Stabilitätspakt. SPD und Grüne atmen auf
Bonn (taz) – Kanzleramtsminister Bodo Hombach verliert sein Amt. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat seinen „besten Mann“ als Koordinator für den EU-Stabilitätspakt in Südosteuropa vorgeschlagen. Die Annahme dieses Vorschlags durch die EU gilt als sicher.
In den Reihen von SPD und Grünen herrschte gestern Erleichterung über den bevorstehenden Abgang des ungeliebten Ministers. Der Finanzexperte der Grünen, Oswald Metzger, sprach von einem „Befreiungsschlag“ des Kanzlers. Allgemein wird von einem äußerst geschickten Schachzug gesprochen.
Schröders Sprecher Uwe-Karsten Heye teilte mit, Schröder sei bereit, seinen „besten Mann und engsten Mitarbeiter am Kabinettstisch für den Erfolg dieses für Europa so wichtigen Projekts freizugeben“. Hombach selbst bezeichnete seinen künftigen Posten als „Traumaufgabe“. Er danke dem Kanzler, „meinem Chef und Freund“, ausdrücklich für diesen ehrenvollen Vorschlag.
Schröder und Hombach sind alte Freunde. Hombach wurde aber zunehmend eine Belastung für die Regierung Schröder. Die Opposition läßt nicht mit dessen Hausbau-Affäre locker; erst am Mittwoch wieder hackte die CDU in einer Fragestunde auf diesem Thema herum. Außerdem droht sie mit der Einberufung eines Untersuchungsausschusses.
Hombach gilt zudem als Fehlbesetzung in seinem Amt, was auch durch die große Freude von Abgeordneten von SPD und Grünen nach seiner Ablösung deutlich wurde. Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Susanne Kastner, kritisierte: „Hombach kam nicht aus der Fraktion und kannte die Fraktion nicht.“ Die Jusos spotteten: „Dem schweren Verlust für die Regierung der Bundesrepublik steht eine sicherlich perfekte, durchdachte sowie wirtschafts- und sozialpolitisch kompetente Koordinierung des Stabilitätspaktes für Südosteuropa gegenüber.“
Das Verhältnis zwischen Hombach und der SPD-Fraktion gilt als zerrüttet. Beispielhaft, heißt es, sei der Streit um die Finanzierung der ukrainischen Kernkraftwerke zwischen Kanzleramt und Fraktion. Hombach habe es versäumt, die unterschiedlichen Meinungen zu koordinieren. Immer wieder wurde Hombach vorgeworfen, auf medienwirksamen Themen „gesurft“ zu sein, ohne sich um seine eigentlichen Aufgaben zu kümmern. Der Job eines Kanzleramtsministers wird in der Fraktion wie folgt beschrieben: Um alle Akten fressen zu können, wird er morgens um halb acht an seinen Schreibtisch festgekettet. Zweimal am Tag darf er zur Toilette. Das Mittagessen bekommt er hereingereicht. Und abends um elf sagt ihm jemand: „Darf ich Sie losbinden? Ihr Wagen steht vor der Tür.“ Hombach heißt es, sei dagegen nicht häufig genug im Kanzleramt gewesen, sondern durch die Welt gejettet. Seine eigentliche Aufgabe habe zuletzt dessen Staatssekretär Frank-Walter Steinmeier erledigen müssen.
Steinmeier, der schon in Niedersachsens Staatskanzlei die Geschäfte für Schröder geführt hatte, gilt nun als Favorit für Hombachs Nachfolge. Er wird als effektiv und umgänglich beschrieben.
Möglicherweise löst Schröder mit der Entlassung Hombachs gleich noch ein Problem. Die Chancen für einen CDU-Vertreter auf den Posten eines EU-Kommissars dürften gestiegen sein, da nun bereits ein Sozialdemokrat in herausgehobener Position für die EU tätig ist. Markus Franz Berichte Seite 8
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