■ An seinem schlechten Image ist Jürgen Trittin selbst schuld: Konfrontation in Schröders Auftrag
Seine erste Erfahrung mit dem Grillen war „ein echtes Desaster“, erinnert sich Jürgen Trittin. Er geschah in seiner Kindheit bei einer Pfadfindertour, schreibt der Grüne im aktuellen Magazin der Süddeutschen Zeitung. „Wir machten ein Feuer und grillten ein Huhn. Im Kopf dieses Bild: Man hält das Huhn auf einer Stange ins Feuer.“ So verbrannte natürlich das Huhn und wurde ungenießbar. „Wir mußten von Brot allein satt werden.“ Inzwischen ist Trittin Bundesumweltminister und kann grillen. Aber beim Regieren handelt er so glücklos wie damals beim Hühnergrillen.
Der Mann kann einem schon leid tun: Was er auch macht, er macht es verkehrt. Verteidigt er die grüne Linie gegen den Kanzler, wie bei der Atomnovelle, gilt er als grüner Ideologe. Setzt er, wie bei der Altautoverordnung, die Vorgaben des Kanzlers um, gilt er als Umfaller. Schlechte Presse hat er so oder so.
Allerdings mußte er bislang auch noch keine derart peinlich Politik erklären. Auf direkte Intervention der deutschen Automobilindustrie pfiff Gerhard Schröder seinen Umweltminister zurück. Mit Geschäftsordnungstricks mußte Trittin so lange gegen seine Überzeugung eine Entscheidung verzögern, bis Spanien und Großbritannien per Gegengeschäft für Schröders Sache gewonnen waren. Schamlos nutzte Trittin im Auftrag des Kanzlers die deutsche Ratspräsidentschaft aus, die ihn eigentlich zur Überparteilichkeit verpflichtet. Er wolle die Präsidentschaft nutzen, „um unsere Vorstellung von einer ökologischen Modernisierung der Wirtschaft einzubringen“, hatte Trittin vor einem halben Jahr noch angekündigt. Das Gegenteil hat er gemacht.
Des Kanzlers Machtwort ist auch eine Demütigung seines Ministers. Aber Trittin erträgt auch das, wie er alles erträgt – mit einem Grinsen. Diese Erfahrung wird seinen Zynismus und damit seine Bunkermentalität mehren. Mit seinem ständigen Verweis auf den Wortlaut des Koalitionsvertrages und auf Formalien hat sich Trittin das Leben schwergemacht. Wer sich so einigelt, statt den Dialog zu suchen, kann keine Erfolge haben. Das bekam Trittin bereits zu spüren, als er kurz vor Weihnachten die Atomkommissionen auflöste – formal sein gutes Recht, aber in Anbetracht der hitzigen Atomdebatte mußte ihm klar sein, daß er den Kanzler darüber wenigstens informieren sollte. Der wußte von nichts – und ging an die Decke.
Mit seinem konfrontativen Politikstil konnte Trittin zwar in der Partei bestehen, nicht aber im Kabinett. Dort gibt es keine Quotenregeln, die ihn schützen. Immer öfter kritisieren Umweltpolitiker aus beiden Koalitionsfraktionen hinter vorgehaltener Hand seinen Stil. Er bereite keine klaren Konzepte vor, informiere schlecht und könne auch keine Bündnisse schmieden. Und so verbrennt Trittin ein Thema nach dem anderen – wie das Huhn über dem Feuer.
Bislang hatte es noch jeder Umweltminister schwer. Auch Angela Merkel und Klaus Töpfer litten unter dem geringen Stellenwert ihres Ressorts. Das ist auch unter Rot-Grün nicht einfacher, denn den Wählern ist kurioserweise der Umweltschutz längst nicht mehr so wichtig wie unter Kohl. Gleichzeitig ist Trittin der einzige Minister auf einem klassisch grünem Politikfeld. Er trägt daher die Last der Profilierung. Er verkörpert das Dilemma des kleineren Koalitionspartners: Was kann man mitmachen, ohne unglaubwürdig zu werden? Worauf konzentrieren, wenn man wenigstens an wichtigen Punkten Erfolg haben will? Ein kooperativ und sachlich auftretender Umweltminister hätte wohl mehr Erfolge – siehe den Unterschied zwischen den Finanzministern Eichel und Lafontaine. Doch die Grünen können es sich nicht erlauben, ihren Minister aufzugeben, während die Atomausstiegsverhandlungen laufen.
Doch es bleibt die Frage, was es nutzt, solange Kanzler Schröder auf Konfrontation setzt. Indem er seinem Umweltminister jedes Thema im Dienste der Industrie zerschießt – ob Atomnovelle, Wiederaufarbeitungsstopp oder Sommersmogverordnung –, provoziert er dessen großen Showdown bei den Ausstiegsfristen. Da nützen den Grünen auch Erfolge in der Steuer- oder Rentenpolitik nichts: Sie brauchen einen richtigen Erfolg in der Umweltpolitik. Sonst ergeht es der Koalition am Ende so wie Trittins Hähnchen. Matthias Urbach
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