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Der Block

■ „Erst denken, dann sprechen“: Stotterer erzählen ihr Leben

Treffen sich zwei Stotterer ... – das kann einen gemeinen Stottererwitz einleiten. Doch hier ist es Susann von der Kölner Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe, die erzählt, wie sie in der Disko einen traf, der stotterte. Wochen später hat er ihr gestanden, daß er stottert, was sie sehr lustig fand, weil er sehr deutlich stotterte. Dann gestand sie ihm ihr eigenes Stottern, was er noch nicht bemerkt hatte.

Offenbar wirkt es für Stotterer entspannend, wenn sie unter sich sind. Auf dem 25. Bundeskongreß der Stotterer-Selbsthilfe 1998 stotterten 300 „Betroffene“. Zwei lauschten nur, um Material für ein Buch zu sammeln, das ab 8. Juli im Buchhandel ist: wenn ich fließend sprechen könnte heißt eine Sammlung biographischer Erzählungen der Bremer Autoren Maike Hildebrand und Charly Kowalczyk. 18 Stotterer erzählen über ihr Leben mit dieser Behinderung.

Je nach Definition soll es bis zu 800.000 Stotterer in Deutschland geben. Die meisten kennen den gefürchteten „Block“, wenn gar nichts mehr geht. Schlimmer als der Block ist allerdings die kommunikative Situation, die entsteht. Genauer: die Reaktion der anderen. Liest man die Berichte der Stotterer, stellt man schnell fest, daß es keine Rezepte für die um Geduld ringenden Zuhörer eines Stotterers gibt. Der Lehrer, der ein Kind eine Viertelstunde lang im „Block“ hängen läßt, weil er ihm die Zeit einräumt, zuende zu sprechen, macht es vielleicht verzweifelter als der wenig reflektierte Vater, der immer nur sagt: „Erst denken, dann sprechen!“ Vielleicht möchte man den Stotterer nicht unnötig unter Druck setzen und vermeidet, ihn anzusehen – dann unterbricht man womöglich die einzige gut funktionierende Brücke zu ihm.

Der Stotterer verwendet viel Energie darauf, peinlichen Situationen aus dem Weg zu gehen oder, falls Unausweichliches droht, sich innerlich vorzubereiten. Telefonieren ist die Hölle, wenn man schon beim eigenen Namen hängen bleibt. Schüler entwickeln ausgeklügelte Strategien, schwere Wörter zu umschiffen. Doch dieses Buch ist nicht zuletzt ein Mutbuch. Es macht Mut, alles Mögliche auszuprobieren, um – ja was? – besser zu stottern! Mal helfen Freunde, mal stottert man bei Fremden weniger, mal hilft Therapie, mal Judo, mal eine Sprachheilschule oder die Selbsthilfegruppe.

Am hilfreichsten scheint ein offensiver Umgang mit dem Sprachfehler zu sein. Ein „Detlef“ beschloß irgendwann, sich nicht mehr überall rauszuhalten, und wurde planmäßig Elternsprecher, Schulsprecher und Abteilungssprecher für mehrere Schulen. Ein faszinierendes Vorwort zu dem Buch hat der Regisseur und Stotterer Einar Schleef geschrieben, der seine Umwelt – auch als Schaupieler auf der Bühne – oft und geradezu aggressiv mit seinem „Kampf mit der blockierende Barriere“ konfrontierte. „Viele Abende im Theater waren die Hölle, oft stand ich vor Publikum, manchmal kam überhaupt nichts raus, manchmal wurde zurückgebrüllt, bis die endlch mitbekamen, daß ich stottere.“ Sein Rat: „Der Stotterer sollte die Konfrontation suchen, auch wenn er unterliegt. Er muß unterliegen, sonst wächst ihm kein Wahrnehmungskapital zu, wie er die nächste Niederlage vermeidet.“ Schleef spricht gar vom „Geschenk des Stotterns“.

Der Rest des Buches ist weniger heroischen Naturen gewidmet.

BuS

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