: Angst vor der PKK-Jugend nach Öcalan-Urteil
■ Innenverwaltung befürchtet, daß Kurden ihre Heißsporne nicht unter Kontrolle haben
Ein Todesurteil für Abdullah Öcalan – die Sicherheitsbehörden, Politiker und Kurden Berlins erwarten in Mehrheit dies als Ergebnis des heute endenden Prozesses gegen den PKK-Führer auf der Gefängnisinsel Imrali. Deshalb wurden die Sicherheitsmaßnahmen für gefährdete Gebäude in der Hauptstadt in den letzten Wochen verschärft und gestern noch einmal verstärkt, wie Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) im Innenausschuß erklärte.
Zwar habe die zentrale PKK-Führung offenbar die Losung ausgegeben, sich friedlich zu verhalten, erläuterte der Staatssekretär. Es gebe aber Anzeichen, daß junge Kurden, die der PKK nahestehen, „kaum noch in Griff zu halten sind“. Deshalb überlege die Innenverwaltung, Zusatzkräfte vom Bundesgrenzschutz oder der Bereitschaftspolizei der Länder anzufordern. Nicht nur türkische Einrichtungen sind Böse zufolge gefährdet, auch für deutsche Behörden bestehe Gefahr.
Zugleich gibt es jedoch nach Aussagen eines Polizeisprechers keine konkreten Hinweise auf mögliche Anschläge. Die Polizei beobachte aber einige Einrichtungen mit „wesentlich mehr Aufmerksamkeit“ – unter anderem die Vertretungen der Türkei, USA, von Griechenland, Kenia und Israel. Mitte Februar hatten Kurden nach der Verhaftung Öcalans die Generalkonsulate Griechenlands und Israels besetzt. Dabei hatten israelische Sicherheitsbeamte vier KurdIinnen erschossen.
Der Vorsitzende des Kurdischen Zentrums in der Dresdener Straße, Kazim Baba, widersprach der Ansicht, daß es zu Ausschreitungen kommen werde. Man versuche, auch den jungen Leuten die Situation zu erklären und mäßigend zu wirken. Auch Kader Al-Yousef, ein Sprecher der Kurdischen Gemeinde, betonte, er rechne selbst bei einem Todesurteil nicht mit Gewaltaktionen. Dies würde nur ihrer Sache schaden.
Der SPD-Innenexperte im Abgeordnetenhaus, Hans-Georg Lorenz, sagte, bei der bestehenden Gesetzeslage in der Türkei bleibe Öcalans Richter voraussichtlich nichts anderes übrig, als ein Todesurteil zu fällen. Solange aber die PKK-Führung in Brüssel Ruhe angeordnet habe, werde es kaum zu Ausschreitungen kommen. Giyasettin Sayan, PDS-Abgeordneter und Vorstandsmitglied der Kurdischen Gemeinde, geht sogar von einer späteren Hinrichtung Öcalans aus. Wer aber wie Böse schon heute gewaltsame Aktionen kurdischer Jugendlicher erwarte, „der kennt junge KurdInnen nicht“. Philipp Gessler
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen