: Kurden: „Wir warten friedlich ab“
■ 300 Bremer KurdInnen demonstrierten vor der Bürgerschafte gegen das Todesurteil gegen PKK-Chef Öcalan / Kund gebungen verliefen wie in anderen Städten friedlich (vgl. S. 1 und 3)
„Nieder mit Tod, Haß und Diskriminierung“ wandte sich gestern mittag ein kurdischer Demonstrant schließlich auch auf Deutsch an umstehende PassantInnen auf dem Bremer Marktplatz. „Wir verlangen nur die gleichen Rechte wie Ihr.“ Und: „Abdullah Öcalan darf nicht getötet werden.“
Rund 300 bremisch-kurdische DemonstrantInnen waren zuvor in einer spontanen Demonstration vom Neustädter Treffpunkt in der Grünenstraße durch die Innenstadt gezogen, nachdem das Todesurteil gegen PKK-Chef Öcalan am späten Vormittag bekannt geworden war. Am Rande des Demonstrationszuges war es auch kurz zu Handgreiflichkeiten zwischen DemonstrantInnen und mutmaßlich türkischen Passanten gekommen, die sich anschließend in ein Kaufhaus geflüchtet hatten.
Gegenüber der Polizeikette vor der Bremischen Bürgerschaft machten die Demonstrierenden jedoch in deutlichem Abstand zum Parlamentsgebäude Halt und skandierten kurdische Parolen gegen den türkischen Staat und die Nato. Polizeieinheiten sicherten derweil den Eingang zum Rathaus. Sondereinsatzkommandos hielten sich – ebenfalls sichtbar – eher im Hintergrund.
„Wer Öcalan tötet, tötet das kurdische Volk“, bekannten sich die DemonstrantInnen unterdessen verbal zur in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Frauen in PKK-Farben hielten Öcalan-Konterfeis hoch. Nur als ein Einsatzleiter der Polizei sich – unbewaffnet, nur im Hemd – näherte, um zu fragen, „wie lange das hier noch geht“, entstand angespannte Ruhe unter den Umstehenden. Junge Frauen reagierten aggressiv – als ob sich solche Fragen angesichts des Ernstes der kurdischen Lage nicht gehörten. Nach rund einstündigem Protest und dem Absingen der kurdischen Hymne bei in Victory-Haltung aufgereckten Armen löste sich die Demonstration schließlich ohne weitere Zwischenfälle auf.
„Wir warten ab. Friedlich“, bestätigte ein Demonstrationsteilnehmer später aus der kurdischen Moschee in der Falkenstraße, von wo am Nachmittag eine weitere friedliche Demo aufbrach. Das Bekenntnis zur vorläufigen Ruhe unter Bremens KurdInnen entspricht auch einer Einschätzung des hiesigen Verfassungsschutzes. Noch gilt das Todesurteil gegen den PKK-Chef nicht als besiegelt. Auch an der Vollstreckung wird noch gezweifelt. „Vorerst rechnen wir nicht mit größeren Vorkommnissen“, hieß es. Über Aktionen einzelner „Heißsporne“ in der politisch sehr aufgeladenen Atmosphäre seien Voraussagen jedoch nie möglich. Laut Verfassungsschutz gelten derzeit rund 250 KurdInnen in Bremen als PKK-nah. Beobachtet werden sie hinsichtlich der Vorbereitung möglicher Gewalttaten im Herkunftsland. Ähnliches gilt für die extremistischen türkischen „Grauen Wölfe“.
Die Bremer Polizei sichert unterdessen verschiedene türkische Einrichtungen: „Banken, Reisebüros und das Konsulat“. Zuletzt war es nach der Überwältigung und Verschleppung Abdullah Öcalans aus Kenia in die Türkei im Februar zu Anschlägen gegen türkische Einrichtungen in Bremen gekommen. „In drei Fällen laufen noch Ermittlungen gegen kurdische Verdächtige“, bestätigte gestern die Staatsanwaltschaft. In einem weiteren Fall sei bereits Anklage wegen „Verabredung zum Verbrechen“ gegen einen ebenfalls kurdischen Tatverdächtigen erhoben worden. Bei dem kurzzeitig Festgenommenen waren Molotow-Cocktails und Steine sichergestellt worden. In keinem der Fälle drohe bei Verurteilung eine Abschiebung, hieß es. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen