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Mein Tag des Ausbildungsplatzes ■ Von Joachim Frisch
Dienstag, der 8. Juni, war der Tag des Ausbildungsplatzes. Dieser Tag wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Pünktlich um acht rief der Weckdienst des Hotels an. Bestellt war er allerdings für halb acht. Lehrling Lisa hatte da etwas durcheinandergebracht, besänftigte mich der Hotelmanager unter Hinweis auf den „Tag des Ausbildungsplatzes“.
Zehn nach acht stürmte ich, schlecht rasiert und mit knurrendem Magen, zu meinem Wagen. Mir blieb eine halbe Stunde bis zur Verabredung, von der nichts weiter abhängen sollte als meine berufliche Zukunft. Als ich aus der Hotelgarage fahren wollte, verweigerte der Schlagbaum seinen Dienst. Hinter der Scheibe der Parkgaragenaufsicht erklärte ein Herr im Blaumann einem milchgesichtigen Twen mit Ziegenbart die Funktion der Knöpfe und Hebel. Mein Hupen beantwortete der Blaumann mit einer Verständnis heischenden Geste in Richtung Ziegenbart: „Auszubildender!“ Meine sichtliche Ungeduld verleitete ihn nun dazu, Ziegenbart zuerst alle anderen Funktionen zu erklären, bevor er zur Öffnung der Schranke kam: Licht an, Licht aus, Sirene an, Sirene aus, Ampel rot, Ampel grün, Anzeige der freien, Anzeige der besetzten Parkplätze, Telefon, Lautsprecheranlage.
Mir blieben zwanzig Minuten. Ich hatte Glück: kein Stau. Trotzdem blieb der Lkw vor mir stehen: Fahrschule. Motor abgewürgt. Mein Hupen parierten Fahrlehrer und Fahrschüler mit einem Einführungskurs im korrekten Starten eines Lkws, nebst zweier Dutzend Blicke in sämtliche Rückspiegel, Prüfen des Reifendrucks und des Ölstandes sowie gründlicher Reinigung aller Fenster, Spiegel und Scheinwerfer, Nebel-, Schluß-, Blink-, Kennzeichen- und Bremsleuchten.
Beim Überholen wurde ich prompt gestoppt, denn ich war über die weiße Linie gefahren. Ein junger Polizist las mir meine Rechte vor, dann mehrere Paragraphen aus der StVO, und schließlich unterzog er mein Auto einer schulmäßigen Verkehrskontrolle – zum erstenmal in seiner noch kurzen Laufbahn als Ordnungshüter in Ausbildung, wie mir sein älterer Kollege versicherte. Nach etwa 20 Minuten nahm ich die Zahlungsbescheide wegen Fehlens von Aidshandschuhen und einer Brandschutzbinde sowie Nichtmitführens des Fahrzeugscheines entgegen. Fast ein Wunder, daß ich zu meinem Termin nur zehn Minuten zu spät kam. Vielmehr: zum Vorzimmer. Die junge Dame blätterte vier verschiedene Terminkalender durch, fand aber in keinem meinen Namen. „Tut mir leid“, sagte die Auszubildende, „ohne Termin kann ich Sie nicht reinlassen. Der Chef ist nämlich nicht gerade gut drauf heute.“ Diese Karriere kann ich knicken, dachte ich. Doch dann kam der rettende Einfall: „Ich bin Azubi“, sagte ich, „heute ist doch der Tag des Auszu ...“ Sie ließ mich gar nicht erst ausreden, flötete: „Sagst'n das nich' gleich?“, drückte den Knopf auf ihrer Sprechanlage und meldete mich beim Chef an.
Wie ich diesem dann erklärte, wieso ich verschwiegen hätte, daß ich noch bzw. wieder in Ausbildung sei, wie es mit meiner Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit stehe, und wie er auf meine Erklärung meiner Bartstoppeln und der ganzen Umstände der Verspätung reagierte, das ist eine andere Geschichte.
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