piwik no script img

Eier, Fleisch und Patienten

■ Verbraucherverbände: Umbau im Gesundheitssystem erfordert unabhängige Beratung. Bundesweit Informationsstellen geplant

Bonn (AP) – Künftig sollen die Patienten stärker in den Blickpunkt der Verbraucherverbände rücken. Die Geschäftsführerin der Bonner Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AgV), Anne-Lore Köhne, erklärte am Dienstag in Bonn, ein bundesweites Netz unabhängiger Beratungsstellen sei bereits geplant. Weiteres Schwerpunktthema nach den jüngsten Lebensmittelskandalen in Belgien und Frankreich: die mangelnde Transparenz der Lebensmittelüberwachung.

„Zehn Eier für 99 Pfennig oder Fleisch mit einem Kilopreis von 4,99 Mark können nicht aus einer art- und umweltgerechten Produktion kommen“, so Köhne. Die EU-Agrarpolitik dürfe nicht länger die Massentierhaltung begünstigen. Und die Lebensmittelbehörden auf EU-Ebene bräuchten mehr Leute und modernere Geräte. Ebenso wichtig sei, daß „drastische Verstöße gegen das Lebensmittelrecht nicht bloß mit Bußgeldern, sondern als Straftatbestand geahndet werden“. Wenn man das Lebensmittelrecht entkriminalisiere, wie es derzeit immer wieder gefordert werde, gehe das nur auf Kosten des Verbrauchers.

Die Lebensmittelskandale der letzten Zeit hätten gezeigt, welche Probleme mit der agro-industriellen Lebensmittelproduktion verbunden seien. Erleichtert würden solche Machenschaften durch ungenügende Herkunftsangaben. So werde bei Eiern lediglich der Ort angegeben, an dem sie abgepackt wurden, die eigentliche Herkunft bleibe unklar. Bei Geflügel und Schweinefleisch werde es noch unübersichtlicher. Unter der Bezeichnung „deutsche Koteletts“ könne Fleisch von einem in Belgien aufgewachsenen und in den Niederlanden geschlachteten Schwein verkauft werden, „das in Deutschland zerlegt und abgepackt wurde“, kritisiert Köhne. Die Skandale hätten nun gezeigt, daß es ohne einen „klar erkennbaren und lückenlosen Herkunftsnachweis für alle Lebensmittel“ nicht gehe. Ihr Rat: generell Lebensmittel aus der Region oder aus ökologischer Herstellung zu bevorzugen und nicht ausschließlich „nach dem Preis“ einzukaufen.

Wichtiger als noch vor fünf Jahren sei den Verbrauchern heute die Unabhängigkeit von Information und Beratung im Gesundheitswesen, hieß es weiter. Verbraucher dächten bei konkreten Problemen auf dem Gesundheitsmarkt, bei Ärger mit der Krankenkasse oder beim Verdacht auf Behandlungsfehler schon von selbst deutlich häufiger als früher an die Verbraucherverbände als Ansprechpartner. Ein bundesweites Netz zur Patientenunterstützung, wie es von der Bundesregierung geplant sei, sei bei den Verbraucherverbänden in Zusammenarbeit mit den Organisationen der Betroffenen gut aufgehoben. Um ein wirklich flächendeckendes Netzwerk aufzubauen, müsse man mittelfristig bundesweit rund 80 Beratungsstellen anbieten, die Patienten und potentielle Patienten vor Ort informieren und beraten könnten. Dafür müsse man im ersten Jahr rund 25 Millionen Mark bereitstellen.

„Deutsches Kotelett“ kann überall herkommen. Es muß nur in Deutschland zerlegt und abgepackt worden sein

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen