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■ Die anderen"De Standaard" (Brüssel), "Mlada Fronta Dnes" (Prag) und "El Pais" (Madrid) zu Öcalan / "Kommersant" (Moskau) warnt vor den Gefahren eines Machtkampfes innerhalb der PKK

„De Standaard“ (Brüssel) zu Öcalan: Der PKK-Führer ist bestimmt kein Heiliger. Die Art, wie er jahrelang Nationalismus und Sozialismus miteinander vermengte, ist nicht akzeptabel. Er ist gewiß für Grausamkeiten verantwortlich, die unter seinem unmittelbaren Befehl begangen wurden. Aber die Türkei ist selbst verantwortlich für den Mann, der bei Vollstreckung des Urteils zu einem Märtyrer wird, für den dann noch mehr Blut fließen kann. Die Hinrichtung Öcalans würde auf beiden Seiten zu einer weiteren Verhärtung führen. Außerdem droht eine Exekution jeden Durchbruch bei der Europa-Integration der Türkei für Jahre zu verhindern.

„Mlada Fronta Dnes“ (Prag) meint: Mit demTodesurteils ist der Fall Öcalan nicht zu Ende. Im Gegenteil. Vom Galgen trennen den PKK-Chef möglicherweise noch zwei Jahre. In dieser Zeit kann viel passieren. Die europäischen Regierungen haben die Türkei wiederholt aufgefordert, die Todesstrafe abzuschaffen. Obwohl die Türkei ein wichtiger Partner bleibt, warnt Europa davor, daß mit Öcalans Hinrichtung die EU-Aufnahmeverhandlungen gebremst werden könnten. Je länger der Fall Öcalan dauert, desto größer ist die Chance, daß sich diese Stimmung ändert – einerseits durch diskreten westlichen Druck, andererseits durch eine gemäßigtere PKK-Politik.

„El Pais“ (Madrid) zum selben Thema: Öcalans PKK ist eine Organisation, zur deren Praktiken Mord, Terror und Erpressung gehören. Aber dies ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite hat die Türkei seit ihrer Gründung 1923 die Rechte der kurdischen Minderheit mißachtet. Die Armee brennt Dörfer ab, vertreibt unschuldige Bürger und nimmt Menschen willkürlich fest. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn Ankara das Todesurteil vollstrecken würde. Die Verletzung von Menschenrechten verhindert einen EU-Beitritt. Nun hat Ankara die historische Chance, Großzügigkeit zu beweisen und Grundlagen zur Versöhnung zu schaffen.

„Kommersant“ (Moskau) warnt vor den Gefahren eines Machtkampfes innerhalb der PKK: Bei einer Hinrichtung Abdullah Öcalans könnte in den Reihen der Arbeiterpartei Kurdistans der Kampf um die Macht entbrennen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Spaltung führen würde. Das wäre für alle das schlimmste Szenario: Die Hauptgefahr besteht darin, daß sich im Verlaufe der Spaltung der PKK eine vollständig unberechenbare radikale Fraktion bilden könnte. Und dann können die von palästinensischen Kamikaze-Kämpfern in israelischen Städten organisierten Bombenanschläge wie harmlose Kinderspiele aussehen.

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