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Alte Gesichter für das neue Nigeria

■ Präsident Obasanjo bildet Regierung: Altpolitiker und Freunde des verstorbenen Diktators Abacha stehen an prominenter Stelle

Berlin (taz) – Nigerias neuer Präsident Olusegun Obasanjo hat dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas die größte Regierung seiner Geschichte gegeben. Das 47köpfige Kabinett, dessen Mitglieder am Mittwoch ihren Amtseid schworen, ist der Bestimmung in Nigerias neuer Verfassung geschuldet, wonach alle 36 Bundesstaaten des Landes in der Regierung vertreten sein müssen. Im Fernsehen rechtfertigte Obasanjo die Größe der Regierung mit dem Erbe der Diktatur: „Wir kommen aus einer Situation, wo jeder Verletzungen davongetragen hat. Wir mußten Heilmittel für die Wunden aller bereitstellen.“

Doch als Heilmittel lassen sich manche der Minister kaum beschreiben. Die neue Regierung, die den Wiederaufbau Nigerias nach sechzehn Jahren Diktatur leisten soll, wird von Vertretern der alten Politikergeneration dominiert. Das Finanzministerium geht an den 65jährigen Ex-Zentralbankchef Adamu Ciroma. Das Energieministerium geht an den 68jährigen Oppositionsveteranen Bola Ige, der eigentlich zur Oppositionspartei AD (Alliance for Democracy) gehört. Das Verteidigungsministerium geht an den 61jährigen pensionierten General Theophilus Danjuma. Obasanjo selbst ist 62 Jahre alt. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Nigeria liegt bei 50 Jahren.

Darüber hinaus haben viele prominente Figuren der Diktatur des 1998 verstorbenen Generals Sani Abacha den Sprung in die neue Ära der Demokratie geschafft. Verteidigungsminister Danjuma war unter Abacha Armeestabschef und eine der prominentesten Figuren der Militärjunta. Gegen seine Benennung gab es zahlreiche Proteste von Menschenrechtsorganisationen. Kurioserweise hat Obasanjo ihm nun Dupe Adelaja an die Seite gestellt, Tochter des langjährigen Oppositionsführers Abraham Adesanya.

Der neue Außenminister Sule Lamido war unter Abacha Leiter einer unter dubiosen Umständen heruntergewirtschafteten Bank. Industrieminister Iyorchia Ayu war Abachas Bildungsminister. Umweltminister Hassan Adamu war Abachas Botschafter in den USA und verteidigte in dieser Funktion die Inhaftierung Obasanjos wegen angeblichen Landesverrats. Sein designierter Vize Udoma Udo Udoma blieb seiner Vereidigung fern und überlegt sich angeblich immer noch, ob er das Amt überhaupt will.

Shehu Sani, Vizevorsitzender der Bürgerrechtsbewegung Campaign for Democracy, nannte das neue Kabinett eine Ansammlung „obskurer Persönlichkeiten“, die nach Abachas Tod „plötzlich aus dem Nichts auftauchten“. Clement Nwankwo von der oppositionellen Transition Monitoring Group kritisierte: „Die Schlüsselministerien sind an ältere Leute gegangen, die seit langem an den Schaltstellen der Macht sind. Die jüngeren Elemente haben keine hochrangigen Posten.“

Daß Obasanjo einen Monat brauchte, um nach seiner Amtseinführung am 29. Mai eine Regierung zusammenzustellen, liegt nicht an ihm. Der neue gewählte Senat mußte die Nominierung des Präsidenten nach US-Muster überprüfen und absegnen, wobei mehrere durchfielen. Bei der Vereidigungszeremonie schärfte der Präsident seinen Ministern ein, sie sollten Korruption nicht zulassen.

Dominic Johnson

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