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Auf daß sich ewig die Plattenteller drehen

Zehn Jahre easy Konsensfindung: Der Mojo Club feiert heute Geburtstag  ■ Von Oliver Rohlf

er Anfang der Neunziger stadtauswärts gen Reeperbahn glitt, bekam erstmal zwei Monumente geballter Häßlichkeit vor den Latz geknallt. Rechts das fahlgraue Beton-Skelett des vielstöckigen Millerntor-Hauses und links die Hülse eines liegengelassenen Bowlingcenters – verblichene Unterhaltungskultur einer vergangenen Dekade.

Doch einen Unterschied gab es, und der haust im Erdgeschoß. Im rechten Klotz, da wohnten die Gebrüder Gammel, Ratte und Asbest. Links aber, in der Reeperbahn 1, unterhalb der schwarzen Fensterfront, da war der Club drin. Und was für einer! Für uns Hamburger ist der Mojo bloß der Klassiker schlechthin, das CCH unter den Hamburge Tanzläden. Aber frag' mal 'nen Auswärtigen, wohin er ausgehen möchte, wenn er das erste Mal in die Stadt kommt. In den Laden mit der Corporate Identity aus Firmen-Zeichen, eigenen CDs, Shops und Tourneen. So berühmt und angesehen, der steht sogar im Reiseführer. Der Mojo Club ist Thema zahlreicher Uni-Referate und wird sogar von der Kulturbehörde empfohlen.

Heuer feiert der der Club seinen Zehnjährigen. Für das Betreiber-Gespann Oliver Korthals und Leif Nüske standen Ende der Achtziger die Zeichen auf HipHop, Jazz und Soul aus den Sechzigern und Siebzigern. Solch Zeugs legten die beiden in der damaligen Tanz-Institution Bad-Galerie auf und nannten ihre Abende „Mojo Club presents Dancefloor Jazz“.

Clubculture mit einer easy Konsensfindung: Jazz zum Tanzen, Spaßhaben und Coolfinden. Musik für junge Leute jenseits aller Pfeifenschmaus und Rotwein-Attitüden. So wie in London – mit diesen wahnwitzigen Tänzern, die seinerzeit auf allen AcidJazz- und JazzHop-Compilations abgebildet waren. Und dann waren da noch diese Konzerte, Spektakel und Lesungen. Soccer-Nerd Nick Hornby gab den Pop-Ball weiter an Medienbeschmutzer Friedrich Küppersbusch, der sich dem Schmerz-Events-Scherz eines Jim Rose gegenüber sah. Dazu live on stage jede denkbare Form von Soul und Dance: vom ScherzHop der Fanta Vier über die Native-HipHopper De La Soul bis zu Soul-Saurier Bobby Bird. Von der Brasil-Größe Joyce über das Luxus-Pop-Ensemble Pizzicato 5 zu allen relevanten DJ-Größen wie Goldie oder Kemistry & Storm.

Mojo, das heißt vor allem Kontinuität, aber auch ein beruhigend gediegener Style-Gradmesser und Dia-durchfluteter Wohnraum. Und wahrscheinlich würde das auch ein Leben lang so weitergehen, wenn sich nicht seit Jahren das Gerücht hielte, der Mojo müsse raus aus seinem Haus, weil wartende Abrißbirnen just auf dem Gelände rund um die Reeperbahn 1 dem geplanten Urban Entertainement Center genügend Raum verschaffen sollen. Die Macher indes ficht das nicht an – für sie ist diese Ungewißheit auch eine Form der Beständigkeit. Weitermachen lautete die Parole, auf daß die Erde eine Kugel ist und sich die Plattenteller ewig drehen.

„Outside Mojo 99“: heute ab 15 Uhr. Mit Kruder & Dorfmeister, e-z rollers, Freddy Fresh, Shantel und andere, Eintritt frei. Ab 21 Uhr: Aftershowparty mit dem Mojo Collective

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