: Umweltschützer Nikitin wieder angeklagt
■ Zum achten Mal klagt die russische Staatsanwaltschaft den atomkritischen Fregattenkapitän wegen derselben Delikte an, für die erst später Gesetze gemacht wurden
St. Petersburg (taz) – Aleksandr Nikitin, Ex-Kapitän bei der russischen Atom-U-Boot-Flotte und Umweltschützer, wurde Ende vergangener Woche zum achten Mal eine Anklageschrift zugestellt. Dabei ist die neue Anklage im wesentlichen eine Kopie der bisherigen Anklageschriften.
Gegenüber den bisherigen Anklagen, die Nikitin wegen seiner Mitwirkung an einer kritischen Studie der norwegischen Umweltorganisation Bellona zur mangelhaften Sicherheit in der Atom-U-Boot-Flotte und der unzureichenden Lagerung von Atommüll anklagten, wurde nur eine Ergänzung vorgenommen: War Nikitin bislang aufgrund geheimer, teilweise rückwirkend geltender interner Dienstvorschriften angeklagt worden, wird jetzt auch Bezug auf das Staatsschutzgesetz von 1997 genommen – für eine angebliche Straftat von 1995. „Das ist rechtlich unsinniger als vorher“, sagt er. „Hatte der Geheimdienst FSB sich bislang auf rückwirkende Geheimgesetze gestützt, glaubt man nun, auch der nationalen Gesetzgebung rückwirkende Kraft beimessen zu können.“
Aleksandr Nikitin nahm die neue Anklage recht gelassen auf: „Müßte ich nicht langsam ins Guinness-Rekordbuch kommen? Oder gibt es irgend jemand, der achtmal wegen der gleichen Tat angeklagt wurde?“ Die neue Anklageschrift, die in wesentlichen Teilen wieder geheim ist, zeigt auch, daß die Sicherheit Rußlands offenbar gewaltiger inflationärer Wertminderung unterliegt. Hatte der FSB den Schaden, den Nikitins „Hochverrat“ dem russischen Militär gekostet habe, bislang auf eine Million Dollar geschätzt, hat man diesen in der achten Anklagerunde auf 20.000 Dollar herabgesetzt. Die „überaus schweren Konsequenzen“ für die Sicherheit des Landes sollen aber dieselben sein.
Nikitins Verteidigung will nun so schnell wie möglich einen neuen Verhandlungstermin vor dem Strafgericht in St. Petersburg bekommen.Nachdem er elf Monate in Untersuchungshaft saß, sind Nikitins Reisemöglichkeiten nun seit drei Jahren eingeschränkt, und er darf sich ohne Spezialgenehmigung nur in St. Petersburg frei bewegen. Erst am 22. Juni hatte das Amtsgericht der Stadt eine Klage Nikitins gegen diese Reisebeschränkungen mit der Begründung abgelehnt, man habe „Informationen über seine Persönlichkeit“, die eine solche Aufhebung nicht zuließen. Reinhard Wolff
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