: Streikender Strandschmuck
■ Israel: 210 schöne Bademeister ziehen Volkszorn auf sich
Herzlija/Israel (dpa) – In Macho-Israel sind sie die Größten: Israels Bademeister sind der Schmuck der Strände. Wenn die Herren, braungebrannt, mit eng sitzenden Badehöschen und mit Oberkörpern wie Schränken, am Strand entlangspazieren, verrenken sich auch Geschlechtsgenossen gern die Hälse. Manchmal steigen sie auch von ihren komfortablen Aussichtshäuschen hinab und überreichen ausgesuchten Ladies einen Kaffee. Aber sie führen ein strenges Regiment. Wer ihrer Trillerpfeife nicht augenblicklich Folge leistet und den Mittelmeerfluten nach Aufforderung entsteigt, wird dort herausgeholt, und nicht selten wird der ungehorsame Schwimmer dann regelrecht zusammengebrüllt.
All dies kostet, und Israels 210 Bademeister wissen, was sie wert sind. Knapp 7.000 Mark kassieren sie pro Monat für ihren harten Job. Das Salär wird zwölf Monate lang gezahlt, denn schließlich ist es nicht Schuld der Bademeister, daß es auch in Israel einen Winter gibt und sich in diesen Monaten kaum ein Schwimmer ins Mittelmeer traut. Sie können natürlich auch nichts dafür, daß sie älter werden. Da denkt man an die Rente. Und überhaupt halten sie sich für unterbezahlt und überarbeitet. Jedenfalls streiken sie seit neun Wochen. Die Folgen sind verheerend.
Israels Bademeister wollen 2.000 Mark Aufschlag. Dieser Betrag soll Arbeitsmaterialien abdecken, aber vor allem ihre Zahlungen in die Rentenkassen aufbessern. Um dies durchzusetzen, bleiben sie ihren Arbeitsplätzen entweder ganz fern oder arbeiten nach Vorschrift. Während der gut neun Wochen, die sie nun schon streiken, sind 33 Menschen an Israels Stränden ertrunken. Der tükkische Sog in küstennahen Abschnitten des östlichen Mittelmeers kann auch für erfahrene Schwimmer tödlich sein. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur sieben.
Der Zusammenhang zwischen Streik und hoher Todesziffer gilt Israelis als erwiesen und inzwischen richtet sich der Volkszorn gegen die Beaus. Das Innenministerium will auch nicht einknikken, mit einer Akzeptanz der Bademeister-Forderungen ist nicht zu rechnen. Ganz im Gegenteil, das Ministerium stellte eher eine Million Schekel (500.000 Mark) für Aufpasser der Küstengemeinden zur Verfügung, die Leute an den ungeschützten Stränden davon abhalten sollen, überhaupt ins Wasser zu gehen. Wer nicht naß wird, kann auch nicht ertrinken, lautet die Gegenstrategie des Ministeriums.
Doch sie funktioniert nicht, denn Israelis gehen auch dieses Problem in der gleichen Weise an, mit der sie auch ihre Autos durchs Land steuern: Wer sich Vorschriften beugt, hat verloren. Und so waren die Strände vergangenes Wochenende bevölkert wie eh und je. Man badete, gerade so, als habe man sich um Bademeister eh nie geschert.
Verlieren wollen natürlich auch die Bademeister nicht. Die Hagestolze waren bis Montag mittag auch einer neuen strikten Anweisung des Innenministeriums zur Wiederaufnahme der Arbeit nicht gefolgt. Adi Eldar vom Verband der Küstengemeinden spricht inzwischen von „Erpressungstaktik“ der Bademeister. Ende letzter Woche meinte er schon, die Strandhocker hofften scheinbar auf weitere Tote, denn sie glaubten wohl, jeder neue Ertrunkene bringe sie näher heran an die Erreichung ihres Streikziels. Heinz-Rudolf Othmerding, dpa
Die Bademeister beziehen ihr Salär 12 Monate im Jahr – schließlich können sie ja nichts dafür, daß es einen Winter gibt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen