: Zersägte Bahnschienen
■ Atomkraftgegner zeigten gestern der Bahn AG die Zähne und klagten bei einer Protestaktion vom Bahnhof in die City über „Schikane“ gegen Anti-Akw-Bewegung
„Zähne zeigen“ wollten gestern rund 50 DemonstrantInnen, die am Nachmittag zur Protestaktion am Bremer Hauptbahnhof zusammenkamen – um gegen das „Atomunternehmen Deutsche Bahn AG“ mobil zu machen. Die Bremer Anti-Akw-Bewegung ist nämlich in verstärkter Aufruhr, weil das Bundeskriminalamt am vergangenen Donnerstag auch die Bremer „Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz“ (MAUS) wegen der „Hakenkrallen-Aktionen“ 1996/1997 gegen die Deutsche Bahn durchsucht hatte.
Über 13 Stunden hatten die BKAler in den Räumen der Meßstelle verbracht, berichteten die DemonstrantInnen. Das BKA hatte zur gleichen Zeit auch in Berlin, Hamburg und im Wendland insgesamt zehn Wohnung und drei Betriebe wegen des Verdachts „auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ durchsucht. In der MAUS wurden Computer und Geschäftsunterlagen beschlagnahmt: „Die ganzen Papiere sind weg, wir können gar nicht mehr arbeiten“, berichtet ein Mitarbeiter. Jetzt soll ein Anwalt die bei der Bremer Staatsanwaltschaft aufbewahrten Materialien wieder zurückverlangen.
Denn der Vorwurf einer „terroristischen Vereinigung“ sei „reine politische Schikane“, hieß es gestern bei der Demo – und die Durchsuchungen bloß reine „Drohgebärden“ gegen die Anti-Akw-Bewegung. Schließlich wurden sämtliche Materialien der Meßstelle beschlagnahmt – obwohl nur ein Mitarbeiter zu den Beschuldigten zählen soll, die die Krallen-Aktionen aus 1996/1997 zu verantworten haben sollen. Doch die MAUS, so hieß es gestern, hatte ja auch eine Kampagne gegen Atomtransporte durch Bremen und Bremerhaven wissenschaftlich begleitet. Die 13-stündige Durchsuchung sei jetzt nur ein „Einschüchterungsversuch“ – um die Anti-Akw-Bewegung zu schwächen und in Schach zu halten.
Schließlich stünden im Herbst wieder neue Castor-Transporte an, erklärten die Protestler auf dem Hauptbahnhof – und zersägten schon mal symbolisch aufgebockte Eisenbahnschienen. Oder sammelten mit selbstgebastelten Anti-Akw-Spendenbüchsen ein paar Pfennig zur „Prozeßkostenhilfe“ bei Passanten ein.
Ursprünglich nämlich war die Demonstration als Unterstützungsaktion für den Bremer Atomkraftgegner Bernhard Stoevesandt geplant: Er hatte sich im März 1998 bei einem Castor-Transport an eine Bahnschiene gekettet – und war vom Amtsgericht Ahaus zu einer Schadensersatz-Zahlung an die Deutsche Bahn AG in Höhe von 6.230 Mark verurteilt worden. Die Bahn AG hatte, so die Begründung, die Schienen wegen der Festkettaktion zersägen müssen – und für diesen entstandenen Schaden per Gerichtsverfahren Ersatz verlangt.
Für die Bremer Anti-Atom-Bewegung ist das aber eine „Lachnummer“: Das Aufschneiden des Rohres, mit dem Bernhard Stoevesandt an der Schiene festgekettet war, hätte völlig ausgereicht. Doch die Bahn AG versuche per Prozeß, den DemonstrantInnen die Kosten für die massiven Polizeieinsätze rund um die Castortransporte aufzudrücken – und gleichzeitig Atomkraft-Gegner von „entschiedenem Widerstand“ abzuschrecken: Schließlich wurde gegen den Bremer Atomkraftgegner Bernhard Stoevesandt außerdem ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung und Nötigung eingeleitet.
Aber weder von Gerichtsverfahren noch von Durchsuchungen wolle man sich einschüchtern lassen, hieß es gestern. Wegen der verzwickten rot-grünen Atompolitik komme es jetzt gerade auf den „außerparlamentarischen Widerstand“ an, um die „Stillegung aller Atomkraftanlagen“ zu erreichen.
Katja Ubben
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