: „Da ist großer Stolz in Amerika“
Mit dem Sieg im WM-Finale über China haben die US-Fußballerinnen ihre Mission erfüllt – für Clinton, den Frauenfußball und natürlich die ganze Welt ■ Aus Los Angeles Rainer Hennies
Wer hat denn nun dieses WM-Finale entschieden? War es die Nummer 13 der Chinesinnen, Liu Ying, die im Elfmeterschießen an Briana Scurry scheiterte? Oder war es eben die US-Torfrau, die ahnte, wohin der Ball kommen würde und in die richtige Ecke flog? War es vielleicht Kristine Lilly, die anschließend das US-Team in Führung brachte? Oder war es Brandi Chastain, die dann den letzten Strafstoß verwandelte?
Fragen über Fragen. Fakt ist: Die Fußballerinnen aus den USA haben nach torlosen 120 Minuten das Elfmeterschießen mit 5:4 gewonnen und sind Weltmeisterinnen. Und 90.185 Zuschauer in der Rose Bowl von Pasadena sahen zu. Das ist ein neuer weltweiter Rekordbesuch im Frauensport und verbessert die beim WM-Eröffnungsspiel in New York erreichte Zahl von 78.972 Zuschauern.
Nun gibt es eine Menge Heldinnen mit jeder Menge kleiner Geschichten. Eine ist, daß Chastain (30) mit dem linken Fuß schoß, nachdem sie im verlorenen Finale um den Algarve-Cup im März einen Elfmeter mit rechts über das chinesische Tor geschossen hatte. Nun ist sie mächtig stolz darauf, daß Trainer Tony DiCicco ihr dennoch das Vertrauen schenkte. „David Letterman hat gesagt: Brandi muß schießen“, kicherte DiCicco angesichts der Tatsache, daß Chastain mit ihrem Auftritt in Letterman „Late Show“, für Gesprächsstoff gesorgt hatte. Thema war ein Fast-Nacktfoto gewesen.
Aber war nicht Kristine Lilly die wahre Heldin, weil sie exakt nach 100 Spielminuten den Kopfball der Chinesin Fan Yunjie für ihre schon geschlagene Torhüterin auf der Linie abwehrte? Die mit 186 Länderspielen erfahrenste Fußballerin der Welt mochte nicht ihre beste Partie abgeliefert haben, aber sie bestätigte in dieser Szene und beim Shoot-out ihre herausragende Bedeutung für das Team.
So oder so – die Fußballerinnen der USA haben ihre Mission erfolgreich beendet und all die großen Erwartungen erfüllt. Nach dem WM-Titel 1991 in China und dessen Verlust an Norwegen bei der WM 1995 ist er nun zurück.
Ist das verdient? Im Finale erwies sich China als überaus starkes Team, das dank seines exzellenten Kurzpaßspiels mehr vom Spiel hatte. Die US-Abwehr hatte Schwerarbeit zu leisten, während es der Angriff nur selten verstand, sich gegen die auf Fehler lauernden Chinesinnen durchzusetzen.
Nicht zu Unrecht war Trainer Ma Yuanan „trotz dieser Niederlage nach wie vor er Meinung, daß wir das stärkere Team haben“. Die USA seien „ein glücklicher Sieger“. Sein Kollege Tony DiCicco sah es ähnlich: Zwar hielt er stolz eine vorproduzierte Zeitung der lokalen Pasadena Star News mit dem Titel „We win“ in die Höhe. Doch er verstand es auch, relativ elegant mit dieser Situation umzugehen. „Beide Teams haben gewonnen. Wir haben zwei Champions“, sagte er. Doch nicht nur das: „Die Spielerinnen haben gewonnen, Amerika hat gewonnen und der Frauenfußball auf der ganzen Erde hat gewonnen.“
US-Präsident Bill Clinton ist ja neuerdings auch Frauenfußball-Anhänger. Er schlug in der Rose Bowl ähnliche Töne an. „Es ist sehr bedeutend für Amerika, wie die ganze Nation dieses Turnier angenommen hat“, sagte Clinton, „da ist ein großer Stolz auf den Frauensport entstanden.“ Diese WM, so sieht es der Visionär voraus, werde „große Konsequenzen für den Fußball und den Sport der Frauen weltweit haben“.
Clintons Worte wühlten die Spielerinnen auf. „Der Präsident hat gesagt, was wir für Amerika, den Frauenfußball und den Frauensport im allgemeinen getan haben, sei außerordentlich.“ Als Stürmerin Tiffeny Milbrett dieses sagte, stockte ihr die Stimme.
Falls sich jemand fragt, was in all dem Trubel aus Mia Hamm geworden ist, der auserwählten Protagonistin dieses neuen Sport-Industriezweigs und seiner Konsumentinnen? Klar ist: Sie hat das Spiel nicht entschieden. Aber genau wie die große Antipodin und Turniertorschützenköngin Sun Wen (7 Tore) hart für das Team gearbeitet und ihren Strafstoß sicher verwandelt. Nun ist sie „stolz, ein Teil dieses Teams zu sein“. Hamm will nun „unseren Erfolg genießen“ und sich an die Vorbereitung von Olympia 2000 machen.
Zuvor wird es einen veritablen Triumphzug geben. Noch ist unklar, ob die sogenannte victory-lap durch die USA führen oder die ganze Welt umfassen wird. Tiffeny Milbrett ist für eine Weltreise. „Es ist jetzt wichtig, das entfachte Feuer weiter lodern zu lassen und der Welt bei der Weiterentwicklung des Frauenfußballs zur Verfügung zu stehen“, sagt sie. „Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.“ Keine Frage: Das haben sie bereits getan.
USA: Scurry – Overbeck, Sobrero, Fawcett – Chastain, Akers (91. Whalen), Foudy, Lilly, – Milbrett (115. Venturini), Parlow (57. Macmillan), Hamm China: Gao Hong – Fan Yunjie, Bai Jie, Wen Lirong – Wang Liping, Liu Ailing, Liu Ying, Zhao Lihong (114. Qiu Haiyan), Pu Wei (59. Zhang Ouying) – Jin Yan (119. Xie Huilin), Sun Wen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen