: Gen-Experimente mit der deutschen Weinkultur
■ Erster Freilandversuch mit genmanipulierten Reben soll in der Südpfalz starten
Siebeldingen (dpa/taz) – Für den bundesweit ersten Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Weinstöcken machen sich Wissenschaftler derzeit in der Südpfalz bereit. Die Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen will in Siebeldingen auf einem eigenen Gut Reben mit künstlich veränderten Erbanlagen pflanzen, die sie gegen Pilzkrankheiten feien sollen. Damit, so das Kalkül, wären Pflanzenschutzmittel überflüssig und die Produktionskosten niedriger. Die Genehmigung der Behörden wird für die kommenden Tage erwartet.
Während der Weinbauverband Pfalz den auf mehrere Jahre angelegten Versuch begrüßt, spricht Hubert Weiger, Landesbeauftragter des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Bayern von einem „Anschlag auf die Weinkultur“. Der Bundesverband Ökologischer Weinbau „Ecovin“ warnt vor unkalkulierbaren Risiken. Niemand könne wissen, „welche Lawine mit diesem Versuch freigetreten wird“.
Für das Experiment haben die Wissenschaftler Gersten-Gene in Reben der Sorten Riesling, Dornfelder und Seyval eingepflanzt. Dieser Zusatz soll die Pflanzen gegen die Pilzkrankheiten Echter und Falscher Mehltau sowie Grauschimmel schützen. Ein Parallelversuch ist in Würzburg geplant.
Ein Gen soll für die Produktion des Enzyms Chitinase sorgen. Es spaltet die aus Chitin bestehende Pilzzellwand. „Die Ausbreitung wird behindert, der Pilz platzt“, so Reinhard Töpfer, Direktor des Siebeldinger Instituts für Rebenzüchtung Geilweilerhof. Gegen den Falschen Mehltau soll ein anderes Gen helfen. Es erzeugt ein Protein, das laut Töpfer das Pilzwachstum hemmt. Ein drittes Gen soll das Enzym Glukanase produzieren, das ebenfalls gegen Pilze wirkt.
Auswirkungen auf andere Weinberge erwartet Töpfer nicht: Zwar könnten Pollen der Gen-Reben auf eine Nachbarpflanzung fliegen, doch dies sei ohne Folgen, da nur im Kern der Traube das Erbgut enthalten sei. Bis Wein aus genmanipulierten Reben in den Handel komme, dürften noch 20 bis 30 Jahre vergehen. Besondere Sicherheitsmaßnahmen haben die Siebeldinger nicht getroffen. Die Versuchsflächen sind weder eingezäunt noch besonders überwacht.
„Uberflüssig“ nennt die Vorsitzende von „Ecovin“, die Öko-Winzerin Christine Bernhard, das Projekt. Schon hochtoxische Fungizide, wie sie die konventionellen Weinbauern bevorzugten, seien nicht nötig. Bio-Bauern bekämpften Pilzbefall vor allem mit Kupferlösung. Außerdem, so Bernhard, genüge es oft schon, wenn nicht zuviel Wein auf einmal angebaut werde. „Dann kommt die Rebe nicht unter Streß.“
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