■ Rot-Grün auf dem Weg zur Schrumpfpolitik: Null-Bock-Lohnpolitik
Neu ist er nicht, der Vorschlag des SPD-Ministerpräsidenten Beck für eine reale Nullrunde bei der Lohnpolitik: Wenn schon das Prinzip der Koppelung der Rentenerhöhung dem Zuwachs der Nettoreallöhne ausgesetzt wird, dann sollen auch die Löhne und Gehälter nur im Ausmaß der Inflationsrate steigen. Die Verteilungswirkungen dieser Nullrunde für die Bezieher von Arbeitseinkommen sind klar: Schmalkost vertieft die Ungleichverteilung zwischen den Einkommen aus Kapital und Arbeit.
Doch diese verteilungspolitische Kritik reicht nicht aus. Vielmehr kann diese jenseits der Tarifvertragsparteien eingebrachte Lohnpolitik weder das Wirtschaftswachstum stärken noch ein Jobwunder auslösen. Die Behauptung des Wirtschaftsweisen Pfeffekoven, dadurch entstünden 300.000 Arbeitsplätze, ist seriös nicht nachzuvollziehen. Diese Beschäftigungshoffnung ist das Ergebnis eines neoklassischen Fehlschusses nach dem Motto: Steigen die Gewinne, steigen immer auch die Arbeitsplätze. Wie ist dann zu erklären, daß trotz üppiger Gewinne – so auch der Nachweis der Deutschen Bundesbank – in den letzten Jahren keine Arbeitsplätze geschaffen wurden? Der Großteil der Eigenmittel ist eher irgendwo auf den Spieltischen des weltläufigen Kasinokapitalismus eingesetzt worden.
Dieser Becksche Vorschlag zeigt den rapiden Verfall gesamtwirtschaftlichen Denkens und Handelns. Trotz erbitterter Polemik, es bleibt dabei: Löhne und Gehälter sind insgesamt auch Kaufkraft. Steigen die Löhne unterhalb des Inflationsausgleichs und Produktivitätswachstums, dann fehlt es an binnenwirtschaftlicher Nachfrage, um die zusätzliche Wertschöpfung zu realisieren. Derzeit krankt die Konjunktur auch im Euro-Land an der schlaffen binnenwirtschaftlichen Nachfrage. Schließlich entscheiden ausreichende Löhne und Arbeitsbedingungen auch über die Motivation der Beschäftigten beim Arbeitseinsatz. Dieser Lohnverzicht schwächt also die sonst so hoch gelobte Produktionseffizienz.
Die vorgeschlagene Roßkur bedroht zusammen mit dem rot-grünen 30-Milliarden-Mark-Schrumpfpaket vor allem im Bereich sozialer Leistungen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Am Ende könnte die Regierung von einer dahindümpelnden Konjunktur, einer hohen Arbeitslosigkeit und steigender Staatsverschuldung wegen Einnahmeausfällen und explodierenden Krisenkosten überrascht werden. Auch dies wäre nicht neu. Rudolf Hickel ‚/B‘Professor für Wirtschaftswissenschaften, Bremen
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