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Eltern bleiben an der Nadel

Drogenprojekte: BAGS-Entscheidung führt zur Schließung der einzigen Hamburger Einrichtung mit Kinderbetreuung  ■ Von Elke Spanner

Ein kleines Mädchen versucht hartnäckig, sich selbst die Schuhe zuzubinden. Ein anderes pendelt zwischen Spielzimmer und Versammlungsraum hin und her, unschlüssig, ob sie zu den Bauklötzen oder zu ihrer Mutter gehen soll. Ein alltägliches Bild in der „Palette 3“ in Altona, ein außergewöhnliches Bild für eine Drogenhilfe-Einrichtung. Ab Oktober wird es in Hamburg keinen Ort mehr geben, in dem hauptsächlich Mütter und Väter, die mit Methadon substituiert werden, psychosozial betreut werden.

Denn dann geht die Trägerschaft von der „Palette 3“ auf den Verein „Jugend hilft Jugend (JhJ)“ über (taz berichtete). Und der, so Therapieleiterin Regine Ackermann, hat „ein eigenes Konzept mit anderen Schwerpunkten“. Die derzeitigen KlientInnen bangen nun um ihre Zukunft.

Über 200 KlientInnen werden in der „Palette 3“ betreut, „Jugend hilft Jugend“ sieht nur 150 vor. Und substituierte Mütter und Väter sind zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht explizit im Konzept vorgesehen – und damit keine Kinderbetreuung oder die Zusammenarbeit mit Jugendamt und KinderärztInnen. Für „JhJ“ steht auch noch nicht fest, in welchen Räumen die psychosoziale Betreuung angeboten werden soll. Martina, substituierte Mutter einer Tochter, betont: „Niemals würde ich mit meinem Kind in eine Einrichtung gehen, in der Stoff in Umlauf ist.“

Daß die Einrichtung künftig kleiner und nicht mehr kinderfreundlich ist, hat die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) zu verantworten. Die Ausschreibung des Projektes, die sie Anfang Mai veröffentlichte, war nämlich kaum am bestehenden Projekt „Palette 3“ orientiert. Im Ausschreibungstext forderte die BAGS nur die Betreuung von 140 bis 200 KlientInnen. Auch vom Schwerpunkt für Mütter und Väter war keine Rede. „Daß die Palette sich hauptsächlich um Eltern kümmerte, war deren eigene Entscheidung“, erklärt Behördensprecherin Petra Bäurle. „Deshalb mußte der Schwerpunkt in der Ausschreibung nicht von uns gefordert werden.“

Während die MitarbeiterInnen der „Palette“ nun darauf warten, daß „JhJ“ mit ihnen über die Zukunft des Projektes spricht, wartet der neue Träger laut Ackermann darauf, daß der bisherige sich bei ihm meldet. Die KlientInnen der „Palette 3“ jedenfalls wollen unbedingt dort bleiben. „Seit fast zwei Jahren arbeite ich eng mit meinem Therapeuten zusammen“, sagt etwa Matthias. „Jetzt wieder mit einem neuen von vorne anzufangen, schaffe ich nicht.“ Dann setzt er hinzu: „Aber der Behörde sind wir offenbar egal.“

Diesen Eindruck nahm auch Kathrin Hille, Anwohnerin der Fixerstube „Drug-Mobil“ in Billstedt, vom dortigen „Runden Tisch“ am Dienstag abend mit. Der war erstmals zusammengetreten, seit die BAGS die Trägerschaft für das „Drug-Mobil“ einer Bremer Gesellschaft übertragen hat. Anwesend war auch der Drogenbeauftragte des Senates, Horst Bossong. Der habe sich geweigert, zu offenbaren, warum der bisherige Betreiber „freiraum“ die Trägerschaft verloren habe. Hille: „Die BAGS setzt ihre eigenen Vorstellungen durch, ohne die Interessen des Stadtteils zu beachten.“

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