Die Liberalen wollen am Ball bleiben

Nur oberflächlich hat der Landesvorsitzende Rolf-Peter Lange die Flügelkämpfe in der Berliner FDP beruhigt. Die Motivation an der Basis für den Wahlkampf ist damit nicht gewachsen – die Chancen für einen Wiedereinzug ins Parlament stehen schlecht  ■   Von Ralph Bollmann

Die Hoffnung ist rund. Kugelrund. Ein Ball in den Farben Blau und Gelb, mit einem Durchmesser von zwei Metern, soll der FDP im Oktober wieder ins Abgeordnetenhaus verhelfen. Die Wahlhelfer der Partei sollen ihn nach den Sommerferien kreuz und quer durch die Stadt rollen, um den Slogan der Liberalen unters Volk zu bringen: „Sie sind am Ball!“

Die Liberalen haben derlei ungewöhnliche Maßnahmen bitter nötig. Bei der Europawahl kamen sie in Berlin gerade auf 2,4 Prozent der Stimmen, und die Demoskopen machen ihnen derzeit wenig Hoffnung auf eine Rückkehr ins Landesparlament. Nur ein einziges Mal überwand die FDP in einer Umfrage die Fünfprozenthürde. Daran richtet sich die Partei seither auf, auch wenn Forsa-Wahlforscher Manfred Güllner nur sagt: „Da muß jemand den falschen Knopf gedrückt haben.“

Dennoch übt sich der Landesvorsitzende Rolf-Peter Lange in pflichtgemäßem Optimismus. Wenn es der Partei gelinge, ihre „mutigen und unverwechselbaren Positionen“ zu vermitteln, werde sie „mit Sicherheit im nächsten Preußischen Landtag vertreten sein“, sagte Lange gestern bei der Vorstellung des FDP-Wahlkampfkonzepts. Markant sind in jedem Fall die Programmpunkte. Die FDP will die Gewerbesteuer abschaffen, den Autobahnring durch die Innenstadt schließen, die Freie Universität privatisieren.

So unbedeutend die Partei auf Landesebene mittlerweile ist, so heftig befehden sich seit Jahren die parteiinternen Flügel: Alte Sozialliberale, junge Wirtschaftsliberale und vor allem rechte Nationalliberale, die sich gegen die Frischzellenkur durch den studentischen Masseneintritt im vergangenen Jahr mit allen Mitteln zur Wehr setzten – zur Not auch handgreiflich, so daß auf zwei Parteiversammlungen zu Jahresbeginn die Polizei einschreiten mußte.

Der Mittfünfziger Lange, der den Landesvorsitz vor etwas mehr als einem Jahr vom 20 Jahre jüngeren Martin Matz übernahm, hat die Partei zumindest äußerlich beruhigt. Bis auf einige „Ausrutscher“, sagt er stolz, sei die Berliner FDP „geschlossen“.

Doch nicht wenige Liberale fragen sich inzwischen, ob es nicht eher eine Friedhofsruhe ist, die der Bestattungsunternehmer Lange seiner Partei aufgezwungen hat. Äußerungen zu landespolitischen Fragen, so klagen Mitglieder, müßten neuerdings vom Vorsitzenden persönlich genehmigt werden. Die Folge: Weil sich niemand mehr traut, mit Journalisten zu reden, tritt die Partei in den Medien kaum noch in Erscheinung. „So etwas hat es in der FDP noch nicht gegeben“, klagt ein Funktionär.

Allein die Jungen Liberalen erlegen sich keine Zurückhaltung auf. „Wir werden im Wahlkampf diejenigen Kandidaten unterstützen, die auf unserer Linie liegen“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende Rudi Hielscher. Dazu würden gewiß nicht jene Spitzenkandidaten in fünf Bezirken gehören, die dem nationalliberalen Parteiflügel angehören.

Sollten die Freidemokraten tatsächlich ins Abgeordnetenhaus einziehen, würde etwa die Hälfte der Fraktion für rechtskonservative Prinzipien streiten. Nicht jeder Liberale läßt sich durch eine solche Vorstellung für den Wahlkampf begeistern. Doch als der Student Dorjée Hegel in der SFB-Abendschau offen aussprach, er halte die Partei unter diesen Umständen nicht für wählbar, wurde er prompt aus der FDP ausgeschlossen.

Die meisten der 2.500 Studenten, die im vergangenen Jahr ihre Beitrittserklärungen abgaben, haben der FDP bereits freiwillig den Rücken gekehrt. Nicht wenige sind mittlerweile in anderen Parteien aktiv. Das „Projekt Absolute Mehrheit“ (PAM), das den Masseneintritt organisiert hatte, will daraus nun die Konsequenz ziehen. „PAM wird sich künftig als parteiübergreifender Verein organisieren“, sagt Wolf Dermann, einer der Sprecher des Projekts.

Während die Partei an der Basis dahindümpelt, plant Landeschef Lange schon künftige Regierungsbündnisse. Eine Koalitionsaussage lehnte er gestern zwar ab. Es sei aber klar, daß sich die Partei der CDU als „natürliche Alternative zur SPD“ anbiete. Eine Ampelkoalition werde es „nicht geben“.