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Tolerantes Brandenburg geopfert

■  Weil die Bundesanwaltschaft gegen zwei Berliner Mitarbeiter ermittelt, stellt die Brandenburger Landesregierung die Finanzierung des Vereins „Opferperspektive“ ein

Von wegen „tolerantes Brandenburg“. Die Opfer rechter Gewalt haben im Land Brandenburg künftig keine Anlaufstelle mehr. Dies erklärte gestern die Leiterin der Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen (RAA), Annegret Ehmann. Das Brandenburger Justizministerium, so Ehmann, habe zu verstehen gegeben, daß es den Verein „Opferperspektive“ nicht weiter fördern werde. Der Verein, der sich die Betreuung der Opfer von rechten Übergriffen zur Aufgabe gemacht hat, ist neben den RAA einer der Hauptbestandteile des Programms „Tolerantes Brandenburg“.

Hinter der Entscheidung gegen eine weitere Förderung der „Opferperspektive“ verbirgt sich laut Ehmann allerdings nicht unbedingt böser Wille. So habe der Brandenburger Justizminister Otto Bräutigam (SPD), dessen Ministerium einer der Hauptförderer des Vereins war, immer wieder signalisiert, wie wichtig ihm die Arbeit der „Opferperspektive“ war. Auf der anderen Seite, so Ehmanns Vermutung, wollte Bräutigam allerdings dem CDU-Kandidaten für die Wahl in Brandenburg, Jörg Schönbohm, keine Munition liefern. Der Grund: Zwei der vier Mitarbeiter des Vereins werden von der Bundesanwaltschaft der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt (siehe Kasten). Nachdem ein Mitarbeiter des Justizministeriums am vergangenen Donnerstag mitgeteilt habe, der Verein werde bis auf weiteres nicht gefördert, müsse die Arbeit „auf Eis gelegt werden“.

Die „Opferperspektive“ wurde im Mai 1998 gegründet. Als Grund nannte Kay Wendel, einer der Mitbegründer, gestern den Umstand, daß im Zusammenhang mit rechten Gewalttaten die Aufmerksamkeit zumeist den Tätern gelte. Dabei brauchten gerade die Opfer der Taten psychische, soziale und juristische Unterstützung. Diese Sicht teilte bis Februar auch die Brandenburger Landesregierung, die das Projekt förderte.

Für dieses Jahr waren der„Opferperspektive“ insgesamt 135.000 Mark an Sach- und Honorarmitteln in Aussicht gestellt worden, 70.000 Mark an Lottomitteln aus dem Etat von Bräutigam und 65.000 Mark aus dem Topf des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ des Innenministers. Nachdem ein entsprechender Antrag auf Finanzierung im November gestellt worden war, wurde dem Verein von einem Mitarbeiter des Justizministeriums allerdings schon im Mai signalisiert, daß es Probleme gebe. Der Grund sei ein Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter.

An einen Austausch des Personals denkt Ehmann allerdings nicht. „Ich gehe selbstverständlich vom Grundsatz der Unschuldsvermutung aus“, sagt sie. Da dieser Grundsatz für das Land Brandenburg nicht gilt, wird die Betreuung von derzeit 30 Opfern rechter Gewalt ruhen. Uwe Rada

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