: Flüssige Herzen, traurige Weiden
■ Vom Dichten und Schippern: Das Literaturhaus Hamburg lädt zur „Poetischen Alsterkreuzfahrt“. Rezitationen und Dichterauftritt inklusive
Die Reize der Alster haben nicht erst die Dichter entdeckt. Das flüssige Herz Hamburgs hat schon immer die gleiche Anziehungskraft wie ein Stück Erdbeerkuchen für die Wespen im Sommer gehabt: Alle wollen möglichst nah dran sein. Liebespaare und Hundebesitzer, Kiffer und Segelsportler, Jogger und Touristen kennen alle die magnetische Wirkung der Trauerweiden, lauschigen Uferplätzchen und der begehrten weißen Lehnstühlen mit Blick auf das Gewässer.
„Das Echo des Stundenschlags tropft. Die schwarz gehöckerte Zunge des Bootshauses redet mit sinnlosen Schnarchgeräuschen.“ So hat der Dichter Helmut Heißenbüttel die nächtliche Alsterpromenade umschrieben. Neben ihn haben sich auch einige andere poetische Gemüter von den 180 Hektar Wasser mitten in Hamburg inspirieren lassen.
In Zukunft kann man die Reime auf die Alster direkt vor Ort hören, denn das Literaturhaus lädt zur „Poetischen Alsterkreuzfahrt“ ein. Am Montag wird zum ersten Mal vor dem Anleger Jungfernstieg der Anker gelichtet. Mit an Bord ist der Hamburger Dichter Matthias Göritz, der Poeme älteren Datums von Getrud von Kolmar, Friedrich von Hagedorn, Joachim Ringelnatz sowie Helmut Heißenbüttel und Werke aus jüngster Zeit von Alicja Wendt und sich selbst vortragen wird.
Auf diese Weise lernt man beim Alsterschippern gleich mehrere Gesichter des städtischen Sees kennen: „entabenteuerte bürgerlich schlafgehzeitkahle. Die Nacht ist etwas zwischen Gaslaternen Eingeengtes. Nur ein einzelnes parkendes Auto treibt seine Radiomusik vor sich hin.“ So zeichnet Helmut Heißenbüttel in Nulluhralsterpromenade ein schattenhaftes Bild von dem Fluß bei Nacht.
Am Ende der Tour zum Winterhuder Fährhaus werden Kassetten – von Göritz mit Alsterpoesie besprochen – an die Alster Touristik Gesellschaft übergeben. Den können die Passagiere dann den Sommer über beim Überqueren des beliebten Gewässers lauschen. avv
„Poetische Alsterkreuzfahrt“: Mo, 19. Juli, 10.45 Uhr, Treffpunkt: Anleger Jungfernstieg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen