Intendant in spe in der Quatschbude ARD

■ Dem designierten Radio-Bremen-Chef Heinz Glässgen eilen widersprüchliche Beurteilungen voraus: Für die einen ist er „Hoffnungsträger“, für die anderen ein konservativer Populist

Die geplante Intendantenwahl am kommenden Montag im Radio-Bremen-Rundfunkrat hat an Spannung gewonnen. Seitdem die Findungskommission am Dienstag abend den NDR-Kulturchef Heinz Glässgen zur Wahl vorgeschlagen hat, brodelt die Gerüchteküche um das Profil des einzigen Kandidaten. Mitglieder des Gremiums sowie MitarbeiterInnen Radio Bremens (RB) beschreiben den 55jährigen Katholiken als Hoffnungsträger und „letzte Chance“ für den Erhalt des Senders. Aus Gewerkschafts- und Branchenkreisen wird Glässgen jedoch als „konservativ“ beschrieben und für Rausschmisse „linker“ Mitarbeiter beim NDR verantwortlich gemacht.

Den schärfsten Vorwurf hat die in Hannover erscheinende „Neue Presse“ in die Welt gesetzt. Unter Berufung auf „Gemunkel“ beim NDR wird Glässgen in dieser Zeitung in Verbindung mit der ultrarechten Geheimorganisation „Opus dei“ (Werk Gotttes) gebracht. Gegenüber der Rundfunkratsvorsitzenden Roswitha Erlenwein hat Glässgen, der zur Zeit in Italien Urlaub macht, jede Nähe zu dieser Organisation „absolut von sich gewiesen“ und von „Ehrabschneidung“ gesprochen. Auch CDU-Landeschef Bernd Neumann und der Sprecher der katholischen Kirche in Bremen, Wilhelm Tacke, bezeichnen diese Anschuldigung als „totalen Quatsch“. Tacke: „Ich kenne Glässgen aus seiner Zeit im Rundfunkrat des Süddeutschen Rundfunks. Damals war er ein Liberaler und hat mißliebige Jugendsendungen gegenüber den Konservativen verteidigt.“ SprecherInnen von Hamburger Kultureinrichtungen schätzen den seit 1985 in Hamburg tätigen Glässgen als Kenner der Szene. Er soll ein großes Ansehen bei der Kultursenatorin Christina Weiss (parteilos) genießen, die ihn in die Strukturreformkommission der Kampnagel-Fabrik berufen hat.

Beim NDR sehen das aber nicht wenige Leute anders. „Ich kann die Nonchalance nicht nachvollziehen, mit der die Findungskommission sich auf Glässgen festgelegt hat“, sagt ein Mitarbeiter aus Führungskreisen. Offenbar habe sich die Findungskommission von seiner Redekunst beeindrucken lassen. Und ein ehemaliger Personalrat geht noch weiter: „Von innen heraus habe ich nie etwas positives über ihn gehört.“ Sendungen wie das „Bücherjournal“ oder das Satire-Magazin „extra drei“ habe er auf Linie gebracht und dazu beigetragen, das TV-Programm populistischer zu machen.

Mitglieder der Findungskommission haben wenig Verständnis für all diese Beurteilungen. „Glässgen hat eine hervorragende Analyse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Situation Radio Bremens geliefert“, sagt Roswitha Erlenwein. Die Kommission habe ihm sehr kritische Fragen gestellt und sei nicht enttäuscht worden. Erlenwein bleibt jedenfalls dabei: „Mit ihm hätten wir eine Chance zum Neuanfang.“ Die Galeristin und Rundfunkrätin Katrin Rabus ergänzt: „Das ist ja schon fast Rufmord, was da passiert.“

Für diese Replik liefern einige Zeitungen Indizien. Laut dem Artikel in der „Neuen Presse Hannover“, der pikanterweise von der Politik-Redakteurin des „Weser-Kurier“, Silke Hellwig, mitverfaßt wurde, ist die Nominierung Glässgens für den DGB ein „Desaster“. Eine gleichlautende offzielle DGB-Stellungnahme gibt es jedoch nicht. Die Süddeutsche Zeitung hat dies gestern aber nicht davon abgehalten, das „Desaster“-Zitat zu übernehmen. ck