: Warten auf die Flosse
■ In Islands Norden, in Húsavik, wächst der Tourismus und mit ihm das Walbeobachtungsgeschäft im Familienbetrieb
Húsavik ist ein Nest. Der kleine Ort in Islands Norden liegt rund 100 Kilometer vom größten Wasserfall Europas, dem Dettifoss, entfernt. Heimar Harmarson, 22, Sprößling einer Fischer- und Bootsbauerfamilie, setzt sein ganzes Talent für den Aufbau eines Familienbetriebs ein. Rund um die Wale dreht sich der Einsatz. Ein Walmuseum ist im Entstehen. Dort kann man multimedial lernen, wie sich die größten Säugetiere der Welt evolutionsgeschichtlich vom Land auf das Wasser zubewegt haben, daß sich die Atmungsorgane in diesem Prozeß auf den Rücken verlagert haben und daß die Zeiträume, nach denen Zwerg-, Finn- oder Blauwale zum Atmen auftauchen müssen, ganz unterschiedlich sind.
Ansonsten verwaltet der Familienbetrieb „Northur Sigling“ einen Walbeobachtungsbetrieb für Touristen – die Hauptattraktion der Vulkaninsel im hohen Norden.
Die hölzerne „Knörrinn“ schwankt. Besucher und Besucherinnen aus Deutschland, England, Norwegen steigen in das Boot. Langsam tuckert der Kahn auf das offene Meer. Dann drei Stunden inständiges Warten auf Bruchteile von Sekunden, während deren sich ein Wal an der Meeresoberfläche zeigt. Plötzlich blitzt eine Rückenflosse auf, eine weitere folgt. Anmutig zieht der Wal seinen Rücken der Länge nach durch das Wasser. Verschwindet. In den Wellen hinter dem Boot kommt er unerwartet wieder zum Vorschein. Offensichtlich macht ihm das Spiel Spaß.
Die Bucht vor Húsavik glitzert im Sonnenlicht. Breit öffnet sie sich auf das weite Meer. Auf dem Boot kneifen alle die Augen zusammen. Man hofft auf mehr. Wir haben Glück: Ein Delphin springt. Der weiße Streifen am Bauch der Delphine, die im kälteren Wasser des Nordatlantiks anzutreffen sind, glänzt. Die Wal- und Delphinbeobachtung ist zu einer Übung in Sammlung, Entspannung und absoluter Ruhe geworden.
Walfischfang ist in Island seit 1989 offiziell verboten. Es liegt nahe, aus den vor den Küsten schwimmenden Riesen einen anderen Nutzen zu ziehen. Der Tourismus ist für die Leute im Norden inzwischen zur zweitwichtigsten Einnahmequelle geworden. Dabei sieht Heimar die Sache ganz nüchtern: „Niemand hat vor, seinen anderen Beruf aufzugeben, und sich fanatisch ins Walbeobachtungsgeschäft hineinzubegeben. Es bekommt den Dingen nicht, wenn man sie zu wichtig nimmt.“
Bernadette Conrad ‚/B‘ Von Reykjavik erreicht man das 400 Kilometer entfernte Húsavik per Bus, Flug oder Mietauto. Northur Sigling, Húsavik, Tel. (0 03 54)4 64-23 50. Bootstouren von Mai bis September viermal täglich zum Preis von 60 bis 70 Mark
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