: Die Angst vor dem gläsernen Studenten
■ Alle Bremer Hochschulen beteiligen sich jetzt an den Planungen für die Einführung der „digitalen Signatur“ in ihren Verwaltungen / Studierende lehnen die Planungen grundsätzlich ab.
Neben der Uni Bremen wollen sich jetzt auch die anderen Hochschulen Bremens an der Einführung einer „Chipkarte“ oder der „digitalen Signatur“ beteiligen. In einer neu eingerichteten Arbeitsgruppe wollen die Hochschulen Bremen, Bremerhaven und die Hochschule für Künste die technische Neuerung vorbereiten. Vertreter des AStA der Universität Bremen kritisieren das Modellprojekt vehement.
Mit der digitalen Signatur soll den Studierenden ein besserer Service der Verwaltung angeboten werden. Zukünftig könnten die Rückmeldung, ein Antrag auf Urlaubssemester oder eine Adressenänderung mit der digitalen Signatur durchgeführt werden, der Gang zum Immatrikulationsbüro würde entfallen. Auch die Prüfungsanmeldung oder das Abfragen von Prüfungsergebnissen könnte möglich gemacht werden. Denkbar wäre folgende Handhabung: Die Nutzer müßten sich vorher bei einer Akkreditierungsanstalt eine Karte mit der „digitalen Signatur“ ausstellen lassen. Mit der Karte und einem Zusatzgerät kann man auch von zu Hause aus via Internet eine „Unterschrift“ leisten, die Datenschutzansprüchen genügen soll.
Die Hochschulen haben Ende Juni die Anträge für die Förderung des Projekts gestellt. Jetzt soll ein Gutachten klären, wo es Schwachstellen in der verwalterischen Beziehung zwischen Studierenden und Hochschule gibt. Danach beginnt die Projektarbeit. Nachdem Bremen den Multimedia-Städtewettbewerb MEDIA§KOMM der Bundesregierung gewonnen hatte, sind für Bremer Projekte 20 Millionen Mark bereitgestellt worden, die die digitale Signatur anwendungsreif machen sollen. Die Hochschulen wollen aus diesem Topf nun rund 4 Millionen Mark haben, um die technischen Voraussetzungen für die Anwendung zu schaffen. Ende nächsten Jahres könnte die „Chipkarte“ eingeführt werden, hoffen die Entwickler.
Über die genauen Anwendungsfelder für die Chipkarte herrscht allerdings noch keine Einigkeit. An der Universität hat sich bereits vor einigen Monaten eine studentische Arbeitsgruppe gegründet, die die neue Entwicklung grundsätzlich ablehnt. Es wird befürchtet, daß die technische Neuerung einen „gläsernen Studenten“ schafft. Das Horrorszenario: Anwesenheitskontrollen könnten über eine Karte laufen, Semesterwochenstunden digital überprüft oder die Auslastung einzelner Kurse nachvollzogen werden.
Inzwischen sind die Fronten an der Uni verhärtet: Der AStA wirft der Universität vor, anfangs nicht ausreichend an der Planung beteiligt worden zu sein. Die Universität spricht von einer Verweigerungshaltung der Studierenden. Die studentische Forderung, eine Urabstimmung durchzuführen, lehnte der Akademische Senat ab: Die Chipkarten-Gegner hatten unerreichbare 25 Prozent Zustimmung für die Karte gefordert. Auch ein von den Grünen organisiertes Fachgespräch brachte noch keine wesentliche Annäherung.
Von einer Übergangszeit zwischen acht und zehn Jahren, in der die Chipkarte nur freiwillig zu nutzen ist, geht Christina Vocke, Dezernentin des Studierendensekretariats, aus. Die Studierenden fordert sie zur Beteiligung am Prozeß auf. AStA-Vorsitzender Sven Golchert bleibt bei seiner Funddamentalkritik: Für ihn ist das Projekt ein „wichtiger Schritt hin zur Abschaffung der Privatheit“. Nicht teilnehmen am Projekt wollen übrigens die Uni-Bibliothek und die Mensa: Ihnen geht die Entwicklung zu langsam. Christoph Dowe
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