Rückschlag für Friedenshoffnungen in Afghanistan

■ Mord an Politiker könnte auf innerafghanischen Versuch der Konfliktregelung zielen

Berlin (taz) – Ein neuer Anlauf zur Beendigung des Afghanistan-Kriegs, der heute in der usbekischen Hauptstadt Taschkent beginnt, wird vom Mord an einem prominenten afghanischen Politiker überschattet. Der 74jährige Abdul Ahad Karzai, Anhänger des 1973 gestürzten Königs Muhammad Zahir Schah, wurde am Donnerstag von Unbekannten erschossen, als er eine Moschee im pakistanischen Quetta verließ.

Karzai gehörte zu einer der angesehensten Diplomatenfamilien Afghanistans, war Anfang der 70er Jahre Sprecher des afghanischen Parlaments und Führer eines der größten afghanischen Paschtunenstämme, der Popalzai. Deren Hochburg ist die südostliche Stadt Kandahar, wo auch die Taliban ihr Hauptquartier haben. Mit seinen Brüdern Habibullah und Khalilullah, die ebenfalls ermordet wurden, hatte Karzai sich 1979 den Mudschaheddin angeschlossen, die die sowjetischen Besatzungstruppen und das Kabuler Regime bekämpften. Die Karzai-Familie ist eine der wichtigsten politischen Konkurrenten der Taliban.

Karzai reiste erst vor sechs Monaten im Auftrag des in Rom lebenden Ex-Monarchen aus seinem US-Exil nach Pakistan, um eine Loja Dschirga – Versammlung aller afghanischen Ethnien – zu organisieren. Diese sollte eine innerafghanische Regelung des Konflikts einleiten, was die Taliban allerdings ablehnten. Das erklärt auch auch die hochrangigen Stellungnahmen zum Tode Karzais.

In Taschkent trifft sich heute nach mehrmonatiger Pause die sogenannte Sechs-plus-zwei-Gruppe, die aus den sechs afghanischen Nachbarländern sowie den USA und Rußland besteht. Die Taliban hatten eine Teilnahme bis jetzt abgelehnt, weil außer Pakistan keine der beteiligten Regierungen ihr Regime anerkennt. Vielleicht wollen sie mit ihrer angeblichen Offenheit aber nur von der Vorbereitung einer neuen Offensive ablenken, mit der sie auch noch den Rest Afghanistans unter ihre Kontrolle bringen wollen. Thomas Ruttig