: „Das ist schlimmer als jeder Lauschangriff“
■ Bundeskanzler Schröder vermittelt im Streit um die geplante Gesundheitsreform
Berlin (dpa/AP/AFP) – Angesichts der Querelen um die Gesundheitsreform hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein informelles Bündnis für Gesundheit ins Leben gerufen. Nach den heftigen Ärzteprotesten der vergangenen Woche solle nun wieder Ruhe in die Debatte einkehren. Führende Ärztefunktionäre haben Schröder für die Zeit der Verhandlungen über die umstrittene Reform Zurückhaltung bei öffentlichen Protestaktionen zugesagt. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne), die Koalitionsfraktionen sowie die Ärztevertreter sollen gemeinsam eine Lösung in der umstrittenen Reform finden.
Trotz des anstehenden Bündnisses hielt auch am Wochenende die Kritik an der Gesundheitsreform an. Der neue Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe erklärte gegenüber der Berliner Morgenpost, die geplante Reform der Bundesregierung berge erhebliche Risiken für den Datenschutz in sich. Vom 1. Januar 2000 an sollen Ärzte ihre Abrechnungsdaten computerlesbar und nach dem Diagnose-Code „ICD 10“ verschlüsselt an die Krankenkassen weitergeben. Damit, so Hoppe, erhielten die Krankenkassen Einblick in jedes noch so vertrauenswürdige Detail der Beziehung zwischen Patient und Arzt.
Die Union hat die Pläne zur Erfassung von Patientendaten bei den Krankenkassen als „schlimmer als jeder Lauschangriff“ verurteilt. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herman Kues, sagte der Welt am Sonntag, damit seien die Krankenkassen in der Lage, die ärztlichen Behandlungsdaten und Diagnosen mit den Patientennamen zu verknüpfen. Damit werde die Praxis aufgegeben, die Abrechnungen ohne Namensnennung an die Kassen weiterzugeben. Dies hatte auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, kritisiert.
Kues befürchtet, daß vor allem Schwerkranke von den Krankenkassen unter Druck gesetzt werden. Da diese Patienten extrem hohe Kosten verursachten, könnten die Kassen versucht sein, diese finanzielle Last abzuschütteln.
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