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BEK im Unrecht: Ehebruch ist erlaubt

■ Die fristlose Entlassung eines Kantors wegen Ehebruchs wurde gestern vom Bremer Arbeitsgericht aufgehoben / Ehe war zuvor gescheitert / Kantor darf weiter örgeln

Wenn eine Ehe kaputt ist, dann muß auch ein Mitarbeiter der Kirche nicht um jeden Preis heucheln. Das hat gestern das Arbeitsgericht in Bremen im Falle des Vegesacker Kantors Michael Kristahn entschieden. Der Kirchenvorstand St. Magni hatte seinen Kantor im Januar fristlos entlassen, nachdem dieser im Kirchenvorstand offen erklärt hatte, er habe eine Liebesbeziehung zu einer Mitarbeiterin. Der Vorwurf der Gemeinde: Bruch des 7. Gebotes. Die Arbeitsrichterin Barbara Böhnke sah das jedoch anders: Die Ehe des Kantors sei schon vor der neuen Beziehung gescheitert gewesen, diese Liebesbeziehung also kein Ehebruch. Außerdem hätte der Kirchenvorstand weder Kündigungsfrist eingehalten noch einen Schlichtungsversuch unternommen. Fazit des Schöffengerichts: „Die Kündigung ist unwirksam.“ Die Kirche muß ihren Kantor weiter beschäftigen und 24.000 Mark Lohn nachzahlen.

Während einer Versammlung des Kirchenvorstandes im Januar hatten der Musiker und die Jugendreferentin ihre Beziehung bekannt gegeben. Zu dem Zeitpunkt wohnte der Mann schon anderthalb Jahre nicht mehr bei seiner Familie. „Nachdem die Paartherapie gescheitert ist, bin ich ausgezogen“, erklärte er. Im vergangenen Jahr verliebten sich dann der Musiker und die Jugendreferentin. Seine Frau zog im Dezember nach Süddeutschland. All das habe er versucht, seinen Glaubensbrüdern und -schwestern zu erklären. Aber die wollten davon beim besten Willen nichts hören.

Der Vorsitzende des Kirchenvorstands in St.Magni, Pastor Steinkopf, beharrte auf den angeblichen Loyalitätsbruch des Kantors gegenüber seinem Arbeitgeber Kirche: Für ihn bleibt es Ehebruch. Und dieser verstoße gegen die Wertvorstellungen der Gemeinde. Die Mitglieder fühlten sich von der Offenheit des Paares provoziert. Den Einwurf der Richterin, daß die evangelische Kirche auch eine zweite Ehe segne, ließ der Gottesmann nicht gelten.

Obwohl im Gemeindevorstand ein Rechtsanwalt sitzt, verstieß der Vorstand gegen geltendes Kündigungsrecht: Der Kantor ist Mitglied im Personalrat. Wenn er gekündigt werden soll, muß die Mitarbeitervertretung dazu angehört werden. Stimmen die Miglieder dagegen, muß das Kirchengericht schlichten. Das wurde versäumt.

Auch die Ehefrau und die drei Kinder des Kantors haben durch den Spruch des Arbeitsgerichts einen Vorteil. Sie leben derzeit von der Sozialhilfe. „Meine Frau muß arbeiten gehen“, erklärte der Musiker. Um sie ordentlich unterstützen zu können, beharrt er auf eine adäquate Anstellung in einer Gemeinde. Die Bremische Evangelische Kirche hatte nach einer akzeptablen neuen Anstellung für den Kantor gesucht, um einen Kompromiß mit der Gemeinde St. Magni zu ermöglichen. Vergeblich - die Musikerstellen in Bremen sind zur Zeit alle besetzt. Seine neue Partnerin konnte sich mit der Gemeinde vergleichen: Sie hat eine neue Stelle als Jugendreferentin gefunden.

Trotz der Umstände zweifelt der Kantor nicht an seinen Glaubensgenossen. Er hat seit Januar in verschiedenen Gemeinden ausgeholfen. „Ich wurde überall mit Verständnis und Hilfsbereitschaft aufgenommen“, sagt er. Was ihn besonders freut: „Das Thema wurde nie ausgeklammert, sondern immer angesprochen.“

„Ob wir in Revision gehen, wird im Kirchenvorstand besprochen“, sagte der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Pfarrer Steinkopf gestern nach der Verhandlung. Für ihn bleibt es ein Loylitätsbruch.

Andrea Reidl

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