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Demokratische Selbstorganisation im Netz

■ „Das Partisan.net ist tot – es lebe das Partisan.net“: Wie im realen Leben, so fliegen auch in der virtuellen Welt unter Linken die Fetzen. Der Anlaß: Hehre publizistische Grundsätze

„Die Linke im Internet schafft sich ein neues Haus“, mit diesen optimistischen Worten stellte der Berliner Apo-Veteran Günter Langer im April letzten Jahres in der taz die Gründung von Partisan.net vor. Die bundesweite Präsenz „linker und radikaler Kräfte“ im Internet sollte ebenso zu den unanfechtbaren Grundsätzen des neuen Servers gehören wie die „Entwicklung demokratischer Formen der Selbstorganisation gemeinsam mit den Webspacenutzern“.

Knapp ein Jahr später ist von den hehren Grundsätzen wenig übriggeblieben. Wie in der realen Welt konnten die Linken auch im Internet das Streiten nicht lassen. Wer soll überhaupt Platz im virtuellen linken Haus haben? Die Kalaschnikow-Gruppe wohl nicht mehr. Der von FU-StudentInnen gegründeten Hochglanzzeitung, die bisher eher durch das Nachdrucken bereits publizierter Texte als durch eine politische Linie aufgefallen ist, wurde von der Partisan.net GbR die weitere Zusammenarbeit aufgekündigt. Auslöser des Konflikts waren mehrere aktuelle Texte des Apo-Veteranen und heutigen FU-Professor Bernd Rabehl. Darunter jene umstrittene Rede, die er im Herbst vor der rechtsradikalen Burschenschaft Danubia gehalten hatte und die durch die Veröffentlichung in der rechtslastigen Wochenzeitung Junge Freiheit bekannt wurde. Den Wirbel um Rabehls nationales Coming-out wollte Kalaschnikow-Chefredakteur Stefan Pribnow nutzen, um seine Zeitung in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Flugs avancierte er zum Rabehl-Verleger, erwarb das Copyright für dessen Texte und stellte sie ins Partisan.net.

Darin sah die Partisan.net Entwicklungs GbR einen eindeutigen Verstoß gegen die Grundsatzerklärung des linken Providers. „Dort heißt es ausdrücklich, daß für uns sozialemanzipatorische Bewegungen der Bezugspunkt sind. Für Texte mit national-völkischem Inhalt ist da kein Platz“, so Karl-Heinz Schubert. Nach einem Ultimatum löschte die Kalaschnikow-Gruppe in letzter Minute die inkriminierten Rabehl-Texte. Doch anschließend entbrannte ein heftiger Schlagabtausch. Pribnow warf den Domain-Eigentümern Zensur und Mißbrauch ihrer technischen Macht vor. Der dreiköpfige Partisan.net-Verein erklärte seinen Rücktritt und löste sich anschließend bei einem von der Kalaschnikow-Gruppe einberufenen Minitreffen gleich selbst auf. Diesen Beschluß wiederum erkannte die Partisan.net Entwicklungs GbR nicht an. Auf einem von ihr einberufenen PartisanInnenratschlag im Mehringhof stellte sich die große Mehrheit der NutzerInnen, darunter die Berliner MieterInnengemeinschaft, die Online-Zeitung trend und die AG-Netzkritik hinter Schuberts Linie. Weil die Kalaschnikow-VertreterInnen zu einer klaren Distanzierung von Rabehls Texten nicht bereit waren, wurden sie des Saales verwiesen.

Günter Langer und Karl-Heinz Schubert zogen auf dem Treffen ein ernüchterndes Fazit ihrer ursprünglichen Vorstellungen: „Die große Mehrheit der Projekte, Gruppen und Einzelpersonen, die das Partisan.net nutzen und ihm sein linkes und radikales Profil verleihen, konnten nicht dazu gewonnen werden, sich gemeinsam als Herausgeber und Organisator des Partisan.net in einem Verein oder ähnlichem formalen Gebilde zur organisieren.“

Doch nach dem Motto „Das Partisan.net ist tot – es lebe das Partisan.net“ soll das Projekt aus dem Konflikt gestärkt hervorgehen. Auf einem allmonatlichen Jour fixe sollen Grundsatzfragen diskutiert werden. Einige sind schon ausformuliert. Sind demokratische Selbstorganisation und Internetstruktur überhaupt kompatibel? Wie kann in einem strömungsübergreifenden, basisdemokratischen Internet-Projekt die Einhaltung von emanzipatorisch-publizistischen Grundsätzen der Domain durchgesetzt und eine Infiltration von rechts verhindert werden? Peter Nowak

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