: Keine maßgeschneiderte Bilanz
■ Die Arbeitsagentur Maatwerk wollte innerhalb eines Jahres 240 Sozialhilfeempfängern einen Job vermitteln. Doch nur 145 haben eine dauerhafte Arbeitsstelle gefunden
Die Ankündigungen klangen verlockend: 240 SozialhilfeempfängerInnen aus Wilmersdorf sollte innerhalb eines Jahres ein Job vermittelt werden. Nicht irgendein Job, sondern eine dauerhafte Anstellung im ersten Arbeitsmarkt.
Als Arbeitsvermittler wählte das Bezirksamt die private Firma Maatwerk. Erfolgversprechend schien der grünen Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer, daß die niederländische Arbeitsagentur bei der Arbeitssuche systematisch vorgeht – eben maßgeschneiderte Jobs ohne Risiko für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Von den 7.600 SozialhilfeempfängerInnen hat das Sozialamt 1.360 Personen ausgesucht, die als „arbeitsfähig“ gelten – also keine Alten, Kranken und Kinder. Diese wurden seit Juli 1998 zu Maatwerk bestellt. Kamen sie nicht, mußten sie andere Arbeitsbemühungen nachweisen, sonst wurde ihnen ein Teil der Sozialhilfe gestrichen.
Bei Maatwerk erfolgten mehrere zeitaufwendige „Diagnosegespräche“. Die ingesamt zehn MitarbeiterInnen fragten nicht nur nach den persönlichen Daten und der beruflichen Qualifikation, sondern auch nach Motivation und Lebensumständen. Erst wenn ein detailliertes Bild des Sozialhilfempfängers vorlag, ging Maatwerk auf Jobsuche. Insbesondere „versteckte Jobs“, die nicht übers Arbeitsamt vermittelt oder in Zeitungen inseriert werden, standen im Mittelpunkt.
Wenn Maatwerk einen Hilfeempfänger vermittelt, der nach sechsmonatiger Probezeit eine feste Stelle oder zumindest einen Zeitvertrag in der Firma erhält, bekommt die Agentur 6.000 Mark. Die Prämie wird aus dem Wilmersdorfer Sozialhilfeetat bezahlt.
Das Jahr ist vorbei und die Bilanz von Maatwerk ist nicht maßgeschneidert: Nur 145 Menschen konnten vermittelt werden. In Hamburg, wo Maatwerk ebenfalls tätig ist, waren es in knapp drei Jahren 644 Menschen. „Unsere Bilanz liegt an dem erheblichen Gesprächsbedarf, den die SozialhilfeempfängerInnen haben“, erklärt die Berliner Projektleiterin, Renate Erxleben. „Wir müssen pro Person sehr viel mehr Zeit aufwenden, als wir gedacht haben.“ Erxlebens erstaunliches Resümee: Freie Stellen zu finden sei „nicht das Problem“, sondern die „Blokkaden“ der Hilfeempfänger abzubauen. „Dem Tag eine neue Struktur zu geben, löst bei vielen Menschen Angst aus.“
Sozialstadträtin Schmiedhofer hat noch andere Begründungen: „Das Lohnkostenzuschußprogramm hält Betriebe davon ab, Leute von Maatwerk einzustellen.“ Das von der Sozialverwaltung initiierte Programm gibt es mittlerweile in jedem Bezirk. Die Arbeitgeber bekommen bis zu 30.000 Mark Zuschüsse, wenn sie einem Sozialhilfeempfänger einen festen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt bieten. Es habe laut Schmiedhofer mehrere Firmen gegeben, die das Programm aufgrund der Gelder „bevorzugt“ und einen Maatwerker abgelehnt hatten. Doch kleine und mittelständische Arbeitgeber haben bei Maatwerk den Vorteil, daß sie ihr Personal nicht selbst suchen müssen und durch das präzise Profil den Bewerber genau kennenlernen, also weniger Risiko eingingen.
Die Sozialstadträtin ist mit der Maatwerk-Bilanz nicht unzufrieden. Dadurch, daß das Arbeitsprofil der Sozialhilfeempfänger genau beleuchtet würde, hätte es unerwartete positive Nebeneffekte gegeben. So bezogen 76 WilmersdorferInnen nach den Diagnosegesprächen keine Sozialhilfe mehr. 62 zogen in einen anderen Bezirk. Die Gründe: Entweder verzichteten sie freiwillig auf die Stütze, weil die Kontrolle zu groß geworden war, fanden auf eigene Faust einen Job oder bekamen Arbeitslosenunterstützung. Für den Bezirk bedeutet das in jedem Fall weniger Sozialhilfe-Ausgaben. Außerdem vermittelte Maatwerk innerhalb eines Jahres 49 Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und 15 in Lohnkostenzuschußprogramme. Auch für diese Menschen muß das Sozialamt nicht mehr zahlen.
Maatwerk will jetzt bis Ende Dezember die restlichen 95 Leutevermitteln. „Ich bin zuversichtlich, daß wir das schaffen“, sagte Projektleiterin Erxleben.
Julia Naumann
Freie Stellen zu finden, ist für die niederländische Agentur nicht das Problem, sondern die mentalen Blockaden der Sozialhilfeempfänger abzubauen
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