: „Hochgradiger Theatercharakter“
■ Carsten Dannel gehört zu den Demonstranten, die das Bundeswehr-Gelöbnis störten. Aus seiner Sicht war die Aktion „ein voller Erfolg“
Carsten Dennel ist Totalverweigerer und Sprecher der unabhängigen Jugendorganisation JungdemokratInnen/Junge Linke
taz: Wie fühlen Sie sich heute, nachdem Sie gestern für ein paar Minuten im Mittelpunkt des Medieninteresses standen und anschließend von Feldjägern abgeführt wurden?
Carsten Dannel: Es war aus unserer Sicht ein voller Erfolg. Wir haben die Feldjäger in einer Weise überrascht, wie man es selten erlebt. Die Demonstration durfte nur außerhalb der Hör- und Sichtweite stattfinden. Deshalb blieb uns nichts anderes übrig, um die demokratische Meinungsbildung zu gewährleisten.
Einige Demonstranten sind nackt auf den Platz gelaufen. Warum?
Das Ziel der gesamten Aktion war, eine Performance zu erzeugen, eine Situation, die dem Spektakel komplett die Würde nimmt. Dazu haben wir unterschiedliche Stilelemente benutzt. Einige Frauen waren halbnackt, es gab Leute mit Regenschirmen. Leute, die im Kreis gerannt sind, Leute mit Signalpiepern oder Trillerpfeifen. Das hat alles in allem ein Gesamtkunstwerk ergeben, das hochgradigen Theatercharakter hatte.
Wie waren Sie ausstaffiert?
Ich hatte einen Schirm, auf dem stand „Bundeswehr abschaffen“, und trug einen schwarzen Anzug.
Wie ist es Ihnen gelungen, die massiven Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden?
Es war eine Herausforderung, hineinzukommen.
Sie wollen Ihre Tricks nicht preisgeben?
Nein, das würde bei anderen ähnlichen Veranstaltungen die Möglichkeit verbauen.
Es wurde vermutet, daß Sie gefälschte Presseausweise benutzt haben. Damit erschweren Sie den echten Pressevertretern die Arbeit.
Wenn Pressevertreter durch solche Vermutungen Probleme bekommen, tut uns das leid. Das liegt aber nicht an uns, sondern an der Bundeswehr und den zuständigen Sicherheitsorganen.
Stimmt es denn, daß Presseausweise gefälscht wurden?
Kann ich nichts zu sagen.
Oder echte Ausweise benutzt wurden?
Kann ich auch nichts zu sagen.
Wie ist es Ihnen ergangen, nachdem Sie von den Feldjägern geschnappt worden waren?
Ich wurde direkt der Polizei übergeben. Dann habe ich ein Paradebeispiel erlebt für Chaos bei Sicherheitsorganen. Die Zeugen waren unkoordiniert und doppeldeutig in ihren Aussagen. Die Demonstranten wurden außerdem willkürlich behandelt. Leute, die das gleiche getan hatten, wurden einmal mit erkennungsdienstlicher Behandlung, mal ohne entlassen. Ich selbst wurde von der Kripo verhört, erkennungsdienstlich behandelt und um drei Uhr nachts wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen.
Wegen welchem Delikt werden Sie jetzt angeklagt?
Hausfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
War Ihnen das die Sache wert?
Ja, selbstverständlich. Wenn man keine andere Möglichkeit hat, eine demokratische Öffentlichkeit zu schaffen, weil der gesamte Protest ausgegrenzt wird, dann muß man zu anderen Formen des zivilen Ungehorsams greifen.
Interview: Jutta Wagemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen