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Nur wenig Hoffnung in Teheran

Revolutionswächter drohen mit einem Putsch gegen Präsident Chatami. Berlins Professoren setzen sich für die Freilassung der inhaftierten Studenten ein  ■   Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Eine weitere iranische Oppositionelle ist verhaftet worden: Ehlahi Misani, die Frau von Abbas Amir Entesam, dem am längsten einsitzenden politischen Gefangenen Irans. Das berichtete gestern der Verein Iranischer Flüchtlinge in Deutschland der taz. Informationsquelle sei der Anwalt von Frau Misani.

Hintergrund der Verhaftung sind Kontakte von Frau Misani zu den rebbelierenden Studenten. Misani hatte bereits Ende Mai bei einer Kundgebung von Studenten auf dem Campus der Universität Teheran sprechen sollen. Die Veranstaltung wurde jedoch von Revolutionswächtern gewaltsam aufgelöst. Dabei wurde der Vorsitzende des Nationalen Studentenverbandes, Manuscher Mohammadi (28), vorübergehend festgenommen. Mohammadi und sein Stellvertreter Gholamresa Mohadscheri Nedschad (27) wurden vergangene Woche erneut verhaftet. In einem offensichtlich erpressten und vom iranischen Fernsehen ausgestrahlten Geständnis hatte Mohammadi am Montag erklärt, Misani habe ihn in oppositionelle Kreise eingeführt.

Mesanis Mann, Abbas Amir Entesam, gehört zur verbotenen iranischen „Freiheitsbewegung“. Nach der Islamischen Revolution 1979 war er stellvertretender Ministerpräsident, anschließend Botschafter in Skandinavien. Wegen seiner Kritik am Islamischen System des Iran fiel er Chomeinis Säuberungswelle zum Opfer und landete im Gefängnis, wo er seit Dezember 1979 sitzt. Seine Frau schmuggelte anscheinend einen gemeinsamen Brief Entesams und des ebenfalls inhaftierten Studentenführers Heschamatollah Tabarsadi aus dem Gefängnis. „Wir unterstützen die Bewegung der Studenten ohne Einschränkung und bedauern, daß die Ansar-e Hisbollah (ein religiöser Schlägertrupp, d. Red.) eure Proteste blutig niedergeschlagen hat“, heißt es darin. Das sei vergleichbar mit der Unterdrückung durch den Schah gegen religiöse Institutionen vor der Revolution. Weiter heißt es: „Studenten und junge Leute, macht weiter und verteidigt die Rechte der Presse und der politischen Parteien!“

Gestern begann eine weltweite Solidaritätskampagne für die inhaftierten Studenten. Auch zahlreiche Professoren der Berliner Universitäten schrieben einen offenen Brief an Irans Präsidenten Mohammad Chatami und forderten die Freilassung aller inhaftierten Demonstranten. In Teheran sinkt jedoch die Hoffnung, daß sich der Regierungschef durchsetzen kann. Am Dienstag wurde der Chefredakteur einer Chatami-treuen Zeitung wegen „Beleidigung des Islam“ verhaftet. Ebenfalls am Dienstag wurde ein Brief von 24 ranghohen iranischen Revolutionswächtern an Chatami bekannt, in dem dem Präsidenten die Schuld an den Unruhen gegeben wird: „Unsere Geduld ist zu Ende. Wenn Sie heute keine revolutionäre Entscheidung treffen und nicht an unseren islamischen und nationalen Pflichten festhalten, wird es morgen zu spät und der Schaden unermeßlich sein.“ Eine eindeutige Putschdrohung.

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