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Achtung: Starkstrom!

■ Der Blumenthaler Bub Benjamin Wagner feiert heute seinen zehnten Geburtstag. Das ist Glück : Vor acht Wochen faßte er beim Spielen an ein ungesichertes Starkstromkabel am Straßenrand und wurde schwer verletzt. Nach den Schuldigen wird noch gesucht.

Der kleine Benjamin ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Aber das gelbe Ungeheuer, das den Blumenthaler Buben aus einem Starkstromkabel in einer Spielstraße unerwartet anfiel und verbrannte, hat ihn schlimm gezaust. Dem Jungen, der heute seinen zehnten Geburtstag feiert, ist das Unglück noch jetzt, rund acht Wochen danach, anzusehen. Was sich da um die Nase fein kräuselt, ist kein Sonnenbrand. Auch am Hinterkopf hat das Stromungeheuer eine Narbe gerissen. Die klafft noch auf der Kopfhaut, obwohl rundum schon wieder Kinderhaarflaum nachgewachsen ist. Zur Begrüßung aber hebt der Kleine nur mühsam die Hand. „Die Haut spannt überall, vor allem am Arm. Es waren ja der ganze Oberkörper und das Gesicht verbrannt. Da ist viel transplantiert worden“, erklärt Bennies Mutter, Christa Wagner.

Die 32jährige Frau hat jetzt einen Anwalt eingeschaltet, um gegen die swb AG, ehemals Stadtwerke, vorzugehen. Aus Sicht der Mutter liegt es nahe, im Stromerzeuger den Schuldigen zu suchen. „Die sind doch zuständig für den Strom hier“, sagt sie nüchtern. Ihr Sohn habe im Spiel ein dickes Kabel mit der Zange angefaßt, das am Ende einer Spielstraße ungesichert aus dem Gestrüpp ragte – „mit der Zange, weil er gerade dabei war, sein Ketcar zu reparieren“. Ein Nachbar habe das Kind, als es in Flammen stand und schrie, geistesgegenwärtig mit Wasser gelöscht. „Der hat Bennie wohl das Leben gerettet.“

Bereits kurz nach dem Unglück wurden Stadtwerker vor Ort gesichtet. Die hätten auch das Kabel gesichert, erzählt man sich in der Neubausiedlung. Christa Wagner erfuhr das später von Nachbarn. Sie war an der Unglücksstelle umgekippt – und mit Blaulicht in die Klinik eingeliefert worden. Während Benjamin, das mittlere ihrer drei Kinder, mit dem Rettungshubschrauber nach Hamburg geflogen wurde, brachten Sanitäter ihr vorsichtig bei, was geschehen war. „Sie haben mir nicht die ganze Wahrheit gesagt“, blickt die zierliche Frau zurück. Erst nachdem ein Freund sie abends schließlich zum Sohn in die Kinderklinik brachte, erfuhr sie, daß der Junge in Lebensgefahr schwebte.

In dem auf Brandverletzungen spezialisierten Krankenhaus sah sie als erstes die Aufnahmen vom kleinen Körper ihres Sohnes. „Alles blau und rot markiert. Es war fürchterlich“, greift sie sich noch heute unwillkürlich an die Stirn. „Blau waren die Verletzungen zweiten Grades, rot die dritten Grades.“ Bis auf die Wochenenden, an denen Christa Wagner zu Hause die große Schwester und den kleinen Bruder Benjamins versorgte, blieb sie beim brandverletzten Kind, das die ersten zehn Tage in künstliches Koma versetzt wurde. Zu Hause sprangen derweil FreundInnen, die Schwester und die NachbarInnen ein. „Sonst hätte ich das nie geschafft“, sagt Christa Wagner.

Für die Betreuung des verletzten Sohnes wurde die alleinerziehende Mutter, die Teilzeit in einer Kantine arbeitet, sechs Wochen krank geschrieben. Jetzt hat sie unbezahlten Urlaub. Wie es genau weitergeht, ist noch unklar. „Ich muß das alles erst nacheinander regeln“, sagt sie. Vor zwei Tagen erst ist sie mit dem Sohn aus der Klinik nach Hause zurückgekehrt. Das mit Blumen und lustigen Gesichtern bemalte Laken: „Willkommen lieber Bennie“ flattert noch vor der Haustür des Blumenthaler Reihenhauses.

Kurz vor Bennies Entlassung hörte sie zum ersten Mal direkt von den swb AG. „Das war die Reaktion auf den Brief von meinem Anwalt“, stöhnt die Mutter. „Der hatte eine Klage angedroht. Jetzt bedauern sie den Vorfall schon außerordentlich“, stellt sie fest – um gleich darauf über den Brief wieder mit dem Kopf zu schütteln. „Zu Ihrer Schilderung des Unfallherganges und der damit verbundenen Vorwürfe werden wir unseren technischen Firmenbereich befragen“, heißt es in dem Schreiben. „Das ist doch über einen Monat her. Was müssen die da jetzt wohl noch fragen?“, sagt die Mutter. „Wie können die mir bloß sowas schreiben?“ Und: „Warum hat sich von denen niemand mal von alleine gemeldet. Mal gefragt, wie es dem Jungen geht?“

Nur von der Kripo hat die Familie gehört. „Anfangs waren die sehr mitfühlend“, sagt Christa Wagner. Zuletzt hörte sie nur, was offizielle Polizeisprecher sagen: „Es ist noch kein Schuldiger ermittelt.“ Sie fühlt sich hingehalten. Unterdessen gab es bei der swb AG am letzten Freitag eine Konferenz, in der über den Vorfall beraten werden sollte, wie es hieß. Ein Ergebnis dieser Sitzung wurde noch nicht bekannt. Christa Wagner fragt: „Wer weiß, ob es dazu auch gekommen wäre, wenn ich nicht Presse und Fernsehen eingeschaltet hätte.“ ede

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