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Neuer Streit um Islamkunde

■  Der SPD-Vorsitzende Strieder hält geplanten staatlichen Unterricht im Rahmen eines Schulversuchs für einen „Irrweg“. Türkischer Bund kritisiert „unqualifizierte“ Äußerungen

Der schier endlose Streit um den geplanten staatlichen Islamkunde-Unterricht ist erneut entflammt. Nachdem der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder den Versuch Ende der Woche als „Irrweg“ bezeichnet hatte, warf ihm der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) vor, er verkenne die Situation. „Herr Strieder sollte diesen ernsthaften Versuch, Kindern muslimischen Glaubens eine verfassungskonforme Alternative anzubieten, nicht durch seine unrealistischen Sandkastenspiele gefährden“, betonte der TBB am Wochenende.

Hintergrund des Streits war eine Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgericht, der Islamischen Föderation, der islamistisch-fundamentalistische Positionen vorgeworfen werden, die Erlaubnis zum Religionsunterricht zu geben. Gegen dieses Urteil hatte das Bundesverwaltungsgericht am vergangenen Dienstag eine Revision zugelassen – somit ist die Sache wieder offen. Zugleich hatte die Schulverwaltung unter Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) im Rahmen eines Schulversuchs einen eigenen Islamkunde-Unterricht an sechs Berliner Schulen geplant. In den dann von staatlichen Lehrern gegebenen Stunden könnten, so war die Überlegung, mögliche fundamentalistische Tendenzen besser kleingehalten werden, als wenn die Föderation den Unterricht erteilen würde.

Strieder, selbst Stadtentwicklungssenator, unterstrich gegenüber der taz seine Ablehnung gegenüber dem Schulversuch seiner Parteifreundin Stahmer. Er betonte, „auch als Parteivorsitzender“ könne man doch anderer Meinung sein als seine Kollegin. Während der türkische Staat auf einer strikten Trennung von Staat und Islam bestehe, würde die Landesregierung durch den Schulversuch diese Trennung aufweichen. Wenn die deutschen Schulen jedoch nur theoretischen Unterricht über den Islam ohne bekennenden Charakter erteilten, gehe dies an den Wünschen vieler muslimischer Eltern vorbei, die auch eine praktische Glaubensunterweisung erwarteten. Durch das Bundesverwaltungsgerichtsurteil sei eine „neue Situation“ entstanden, die auch neu diskutiert werden müsse.

Der Schulexperte der SPD-Fraktion, Peter Schuster, sprach sich dagegen weiterhin für den Schulversuch aus. Auf Anfrage verwies er darauf, daß es sich dabei ausdrücklich nicht um Religionsunterricht, sondern um „islamische Kulturkunde“ handele. Er räumte allerdings ein, daß die Frage des Islamkunde-Unterrichts innerhalb der SPD ein „heiß umstrittenes Thema“ sei. Die Schulverwaltung war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Philipp Gessler

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