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Die papstnahe CDU verläßt Italiens Regierung

Die Austritt bringt die Regierung nicht in Gefahr. Doch droht eine Wiedererstehung des Separatismus  ■   Aus Rom Werner Raith

Italiens Regierung ist wieder einmal im Gerede: Weil die Koalitionspartner sich bei der neuen Schulgesetzgebung nicht auf die Linie der papstnahen Christdemokratischen Union des Philosophen Rocco Buttiglione eingelassen haben, ist die CDU am Wochenende formell aus der Regierung ausgetreten. Die Koalition gibt den öffentlichen Anstalten weiterhin klar den Vorrang vor den privaten (was in Italien heißt: den katholischen), und das will der Vatikan offenbar nicht hinnehmen. Andererseits hatten die Gewerkschaften mit massiven Kampagnen gedroht, wenn das öffentliche Schulsystem zugunsten des privaten beschnitten worden wäre.

Der Auszug der CDU wird zwar die Regierung als solche nicht zu Falle bringen, weil Buttiglione nur über ein halbes Dutzend Abgeordnete verfügt und weil der Minister für die Beziehungen zum Parlament, Gian Guido Forlini, seinem Parteichef den Gehorsam versagt. Aber der Rückzug der Christlich-Unierten hat nach Ansicht der meisten Kommentatoren dennoch grundlegende Bedeutung. Offenbar gibt es in Italien noch immer – oder schon wieder Strömungen –, die sich nach den alten Politspielchen sehnen: Pünktlich vor den Sommerferien wurde in den 60er und 70er Jahren stets die Regierung gestürzt, ein sogenanntes Badekabinett ernannt, das dann bis zum Herbst die Geschäfte weiterführte. Währenddessen rangelten die Partner dann hinter den Kulissen um mehr Einfluß und Pfründen; auf diese Weise hat es Italien seit Kriegsende auf fast 60 Regierungen gebracht.

Buttiglione ist in Sachen Königsmord ein alter Hase: 1994 hebelte er die linksliberale Volkspartei aus, um die Partei dem Rechten Berlusconi zuzuführen; ein Jahr danach kippte er im Verbund mit der oberitalienischen Liga seinerseits Berlusconi aus dem Amt des Ministerpräsidenten, unterstützte dann die Mitte-links-Allianz um den Technokraten Lamberto Dini, um 1996 bei den Wahlen wiederum mit der Rechten zu paktieren. 1998 schlich er sich über die neugegründete Union demokratischer Republikaner wieder in die Regierung – nur um sie nun erneut zu verlassen.

Da er aber die Regierung diesmal aus eigener Kraft nicht stürzen kann, sehen die meisten Beobachter sein Ziel in einem längerfristigen Vorhaben: Der Papst-Berater will offenbar versuchen, die 1994 entschlafene Democrazia Cristiana wieder zum Leben zu erwecken und zu einer Art Zünglein an der Waage für alle künftigen Administrationen machen. In der „Forza Italia“ des Medienzaren Berlusconi weiß Buttiglione viele potentielle Mitstreiter. Im Frühjahr werden die Regionalparlamente neu bestimmt (vergleichbar unseren Bundesländern), und wenn es da „erneut einen Einbruch gibt“, so La Repubblica, „werden die derzeit nicht in der Mitte-links-Koalition gebundenen Kräfte einen Schwenk nach rechts vollziehen“. Und genaus das ist es, was Buttiglione im Sinn hat.

Dennoch sieht Regierungschef Massimo D'Alema im Augenblick den Auszug seines Mini-Partners nicht als sein größtes Problem an. Wesentlich schwerer wiegen zwei andere Ereignisse: Einerseits hat die Inflationsrate einen deutlichen Sprung nach oben getan, und das verärgert die EU-Partner. Zum anderen hat D'Alema nach Jahren der Ruhe an der Separatisten-Front plötzlich wieder die Rebellion oberitalienischer Abspalter am Hals.

Grund dafür ist ein – formal und demokratisch absolut korrekter – Entscheid des Präfekten von Mailand, mit dem ein Bürgermeister des Amtes enthoben wurde, weil er in einer Ausschreibung für eine kommunale Stelle einen Bonus für Bürger seiner Stadt eingefügt hatte, was nach der Verfassung verboten ist. Aber der Bürgermeister gehört der Liga Nord an – und deren Chef Umberto Bossi, der sich am Wochenende auf einem Sonderkongreßwegen des Wählerschwundes um mehr als zwei Drittel seit 1996 hätte verantworten sollen, konnte unversehens all die rebellischen Kräfte des Nordens erneut bündeln und propagiert nun einen „Liga-Nationalismus“, der ihm mächtigen Zulauf beschert.

D'Alema will nun eine Art Vorwärtsverteidigung versuchen. Im Eilverfahren will er die Direktwahl der Regionalpräsidenten durchs Parlament pauken, so Signale in Richtung Regionalismus geben und die autonomistischen Kräfte spalten – oder Bossis Liga in die Regierungskoalition hineinziehen und damit Kompensation für den Austritt der CDU erhalten.

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