piwik no script img

■ Joschka Fischer und der grüne ParteivorsitzOhnehin: Alleinherrscher

Wieder einmal ist er gefragt worden, und wieder einmal hat er abgewinkt. Außenminister Joschka Fischer, der mittlerweile populärste deutsche Politiker, hat in einem Interview gerade erneut betont, daß er nicht Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen werden möchte. Warum sollte er auch? Er ist doch ohnehin inzwischen unumschränkter Alleinherrscher seiner Partei. Dafür braucht er keinen Titel. Die Vorstandssprecherinnen Gunda Röstel und Antje Radcke werden nicht genannt, wenn die Bevölkerung gefragt wird, wen sie für die wichtigsten Politiker der Republik hält. Zu Recht.

Bündnis 90/Die Grünen beschließen, was dem Außenminister richtig erscheint. Wenn Journalisten im Vorfeld von Parteitagen regelmäßig bezweifeln, ob ihm der Kraftakt auch dieses Mal wieder gelingen wird, dann erscheint der jeweilige Erfolg hinterher stets nur um so glanzvoller. Die angeblich so unberechenbare Basis hat schon lange nicht mehr gegen Fischer aufbegehrt, wenn er eine Angelegenheit zur Chefsache gemacht hatte. Dumm gelaufen ist es für ihn, wenn er die Bedeutung eines Themas oder die Brisanz einer Abstimmung unterschätzt und sich deshalb vorher nicht ins Zeug gelegt hatte.

Die Machtfrage bei den Grünen ist also geklärt. Die formale Übernahme des Parteivorsitzes wäre für den Außenminister nur mit zusätzlicher Arbeit verbunden. Nun hat auch sein Parteifreund Jürgen Trittin gerade ein Interview gegeben. Darin hat der Umweltminister Kritikern der bestehenden Struktur vorgeworfen, Frauen und Linke aus der Führungsspitze entfernen zu wollen.

Na ja, für einige mag das gelten. Aber was ist bloß deren Problem? Weder Doppelspitze noch Strömungsproporz haben verhindert, daß bei den Grünen ein Mann das Sagen hat und daß die sogenannte Parteilinke in den letzten Jahren kontinuierlich an Boden verloren hat. Derzeit ist die Situation für Fischer recht kommod. Bei Bedarf kann er sich von den Grünen distanzieren. Pannen gehen nicht auf sein Konto.

Alle Parteien brauchen identitätsstiftende Elemente. Auf dem Parteitag in Erfurt hat die Basis im Frühjahr erkennen lassen, daß sie die alte Struktur als ein solches Element betrachtet. Wenn man ihr die läßt und sie dafür die Regierungsrünen mit allzu kritischen tagespolitischen Fragen verschont, dann dürfte sie zufrieden sein. Auch deshalb spricht wenig dafür, daß das Thema über den nachrichtenarmen Sommer hinaus von Bedeutung bleibt.

Bettina Gaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen