■ Interview: „Aus Bädern werden Jauchengruben“
Professor Knut-Olaf Gundermann (65), Direktor des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Universität Kiel , ist seit Gründung der Badewasserkommission vor 22 Jahren Mitglied.
taz: Seit drei Jahren gibt es in Deutschland Bio-Bäder. Wie viele Menschen sind seit dem nach dem Baden erkrankt?
Knut-Olaf Gundermann: Das ist nicht feststellbar, weil es darüber keine Statistiken gibt.
Trotzdem wollen sie den Bau neuer Teiche verhindern?
Wir wollen ihn nicht grundsätzlich verhindern, aber Bedingungen stellen, die garantieren, daß das Risiko nicht unkalkulierbar wird.
Sie geben Empfehlungen für Bio-Bäder, die die Betreiber nicht einhalten können.
Wenn die Bäder groß genug sind, können sie schon eingehalten werden. Aber hier besteht die Gefahr: Aus kleinen Bädern können Jauchegruben gemacht werden. In diesen Tümpeln fehlt, was große Baggerseen haben, nämlich eine ständige Wassererneuerung etwa durch Grundwasserzuflüsse und eine biologische Aufbereitung der eingeschwemmten organischen Stoffe.
Reicht die Europäische Badewasserrichtlinie nicht?
Nein. Die ist für solche Bio-Teiche überhaupt nicht gemacht, sondern für freie Küstengewässer, große Binnenseen, Flüsse und dergleichen. Also immer für Gewässer mit hohem Verdünnungsfaktor.
Die zehn deutschen Bio-Bäder halten die Richtlinie ein.
Diese Richtlinie einzuhalten ist kein Kunststück. Das reicht aber nicht. Bei so kleinen Bädern, die im Sommer voll belegt sind, ist es eine schiere Frage des Zufalls, ob gefährliche Erreger eingetragen werden. Das ist ein hohes Risiko.
Ihrem Kommissionsgeschäftsführer Juan Lopez-Pila würden Hinweisschilder mit der Aufschrift „Baden auf eigene Gefahr“ reichen. Warum steht davon nichts in der Empfehlung?
Ich bin mit Hinweisschildern vorsichtig, weil die Leute Hinweisschilder erfahrungsgemäß nicht zur Kenntnis nehmen. Und bei „Auf eigene Gefahr“ denkt ja niemand an das Infektionsrisiko. Da müßte auf den Schildern schon stehen: Vorsicht Infektionsrisiko – Baden auf eigene Gefahr. Ich glaube aber nicht, daß Betreiber so ein Schild aufstellen würden.
In den meisten Fällen ist das schon geschehen.
Das halte ich für ein Gerücht.
Kritiker werfen der Kommission vor, sie sei dem Hygienewahn verfallen.
Das ist dummes Zeug. Es ist eben Aufgabe einer solchen Kommission, nach dem Prinzip der Risikoabschätzung zu handeln. Und hier versuchen Leute ein Geschäft damit zu machen, daß sie das Risiko wegreden. Interview: Thorsten Denkler
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