: Bahn plant Überfall auf ihre Kunden
■ Die mögliche Verteuerung der Bahnpreise durch die Abwälzung von Kosten für den BGS auf die Bahn ruft Proteste hervor. CSU bezeichnet die Bahnpolizeigebühr als „ein Stück sozialistischer Wegelagerei“
Berlin (taz) – Bei der Deutschen Bahn AG sorgt ein Schreiben aus dem Bundesinnenministerium für Aufregung. Darin teilt Innenstaatssekretär Claus Henning Schapper dem Unternehmen mit, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) beabsichtige, der Bahn ab dem Jahr 2000 die Kosten für den Einsatz der Bahnpolizei in Höhe von jährlich etwa 250 Millionen Mark in Rechnung zu stellen. Von einer Sprecherin des Innenministeriums wurde dies gestern bestätigt.
Die Idee einer „Bahnpolizeigebühr“ existiert schon länger, sie stammt offenbar von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Beschlossen hatte das Bundeskabinett die Gebühr bereits Ende Juni. Bahnsprecher Stephan Heimbach sieht in der geplanten Gebühr „echte Belastungen, die bis ins Mark gehen“. Bei einem Jahresumsatz von rund 30 Milliarden Mark werde der Löwenanteil des Überschusses des Unternehmens von etwa 394 Millionen Mark damit wieder aufgefressen. Die geforderten Millionenbeträge lägen noch vor dem abzuführenden Steueranteil. Gemeinsam mit den „Kosten für die Ökosteuern reden wir über eine Belastung in Größenordnung des Konzerngewinns“, sagte Heimbach.
Im August wollen dem Bahnsprecher zufolge die Bahnverantwortlichen mit der Bundesregierung Gespräche führen, „in denen wir die Auswirkungen darlegen“. Sollte der Plan der Regierung anschließend dennoch Wirklichkeit werden, bliebe dem Unternehmen nur die Kostenabwälzung auf seine täglich rund 3,8 Millionen Fahrgäste. Eine Preiserhöhung für Bahnfahrten sei dann wohl unumgänglich, heißt es vorsichtig. Zudem werde man auch darüber nachdenken müssen, ob der Bundesgrenzschutz (BGS), zu dem die Bahnpolizei gehört, „bei den hohen Kosten in Zukunft im bisherigen Umfang genutzt werden könne“.
Seit April 1992 sind rund 5.800 BGS-Beamte auf 118 Bahnpolizeiwachen im ganzen Land für die Sicherheit auf den gegenwärtig 40.000 Streckenkilometern und über 6.000 Bahnhöfen der Bundesrepublik Deutschland zuständig. Im vergangenen Jahr bearbeiteten sie insgesamt 230.000 Fälle.
Empört auf die Pläne reagierte der Fahrgastverband „Pro Bahn“. Ihr Sprecher Norbert Moy warf der Bundesregierung vor, die Bahn über ein Abwälzen von Kosten systematisch „in die Pleite zu treiben“.
Scharfe Kritik kommt auch von den Eisenbahnergewerkschaften. „Diese Kosten haben bei der Bahn nichts verloren“, erklärte der Sprecher der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), Reinhard Sauer, in Frankfurt. „Der Bundeshaushalt soll auf Kosten der Bahn mitsaniert werden.“ Dann, so Sauer, müßten am Ende alle für alle Sicherheitsgebühren bezahlen. Mit der Kostenbeteiligung, die Flugpassagiere auf den Flughäfen schon seit Jahren entrichten müssen, sei die „Bahnpolizeigebühr“ nicht zu vergleichen. „Die Passagiere zahlen für den Sicherheitscheck, und der findet bei der Bahn nicht statt“, sagte Sauer. Auch die kleinere Gewerkschaft GDBA warnt davor, die Kosten für den Bundesgrenzschutz auf das Unternehmen abzuwälzen. „Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung ist immer noch eine Aufgabe des Staates“, sagte ihr Vorsitzender Robert Dera.
Dabei übersehen die Gewerkschaften geflissentlich, daß die Bahn diese Aufgaben in ihrem Bereich erst seit 1992 nicht mehr selbst wahrnimmt. Bis dahin rekrutierten sich die Angehörigen der Bahnpolizei aus bahneigenem Personal, das eine Zusatzausbildung erhielt.
Für CSU-Generalsekretär Thomas Goppel zeigt sich nach der Erhöhung der Mineralölsteuer nun erneut, daß die Bundesregierung „die auf Mobilität angewiesenen Bürger als Feindbild auserkoren“ habe. Er spricht von einem „Stück sozialistischer Wegelagerei“. Der Vorwurf ist nicht ohne Pikanterie, denn verantwortlich für den heutigen Streit ist Goppels Parteifreund Friedrich Zimmermann. Der nämlich sah als Bundesinnenminister Mitte der achtziger Jahre in dem Bestreben der Bahn, dem Bund die Kosten für ihre Bahnpolizei aufzubürden, eine willkommene Chance, die Befugnisse des BGS in Richtung auf eine Bundespolizei auszuweiten. Otto Diederichs
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