: Benimmregeln für EU und arme Länder
In den Gesprächen über die Zukunft des Lomé-IV-Abkommens geht es um gutes Benehmen und freie Wirtschaft. Kritiker fordern Entwicklungsverträglichkeit statt Freihandel ■ Von Maike Rademaker
Berlin (taz) – Das Ende ist in Sicht, es wird interessanter: In Brüssel treffen heute für zwei Tage 15 EU-Minister und 71 Vertreter der AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) zusammen, um erneut die gemeinsame Zukunft zu diskutieren. Im Februar 2000 läuft das noch geltende Lomé-IV-Abkommen zwischen den EU-Staaten und den AKP-Ländern aus, Ende November beginnen die neuen Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO. Bis zu diesen Terminen sollen sich die Verhandlungspartner auf neue Strukturen verständigt haben.
Im Vordergrund der Gespräche stehen zwei Punkte: good governance und die WTO-Konformität zukünftiger wirtschaftlicher Beziehungen.
Seit 25 Jahren genießen die AKP-Länder Sonderbeziehungen zur EU. Dreimal einigte man sich seit 1975 auf ein kompliziertes Vertragswerk von heute 369 Artikeln, in denen Vorzüge wie freie Marktzugänge und Entwicklungshilfe geregelt wurden. Die zehn Jahre des Lomé-IV-Abkommens zeichneten sich durch weltweite Veränderungen aus: Der Ostblock brach zusammen, aus dem GATT ging die WTO hervor, die EU hat ihren eigenen Binnenmarkt geschaffen.
Dadurch haben sich die Interessen der einzelnen Länder sehr verändert. Frankreich mit seinen zahlreichen Investitionen in Afrika beispielsweise ist weiterhin an einer regionalen Bindung interessiert, um ein wirtschaftliches Gegengewicht zu den USA zu haben. Deutschlands Blick richtet sich dagegen stark nach Osten.
Da die Interessen der mittlerweile 71 Staaten auf der anderen Seite mit extrem unterschiedlichen geographischen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen ebenfalls auseinanderklaffen, verlaufen die seit September 1998 stattfindenden Verhandlungen nur zäh. Einigkeit herrscht lediglich darüber, daß eine Reform notwendig ist.
Good governance, gutes Benehmen in Wirtschafts- und Menschenrechtsfragen, soll auf jeden Fall eine Rolle in den zukünftigen Beziehungen spielen. Das wurde schon bei den letzten Gesprächen im Februar in Dakar im Senegal ausgemacht. Man müsse schließlich, sagte Außenminister Joschka Fischer (Grüne) damals, die Hilfe gegenüber „zunehmend kritischen Parlamenten und einer zunehmend ungeduldigen Öffentlichkeit rechtfertigen“. Dieses Mal, so das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das die deutsche Regierung bei den Verhandlungen vertritt, geht es darum, was eigentlich gutes Benehmen konkret bedeutet. Wer sich schlecht benimmt, kann jedenfalls von Vorzugsbehandlungen und Hilfe ausgeschlossen werden. EU-Staaten werden wohl weniger unter solchen Strafen leiden.
Auch beim zweiten Schwerpunkt wurden in Dakar schon schwammige Formeln ausgehandelt: Der Status quo, daß die AKP-Staaten zwar auf teilweise offene EU-Märkte können, aber nicht selber die Grenzen öffnen müssen, ist angesichts der massiven Liberalisierung des Weltmarktes nicht zu halten. Andererseits sollen die AKP-Länder nicht der reinen WTO-Lehre offener Märkte ausgeliefert werden, die für sie als lukrative Absatzmärkte, aber schwache Exportnationen wenig Chancen birgt. Von der WTO erwarten die Verhandlungspartner Flexibiliät und die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen wie bisher. Noch im Frühjahr hatte die parlamentarische Staatsekretärin des BMZ, Uschi Eid, den Entwicklungsländern grundsätzlich Unterstützung bei den WTO-Verhandlungen zugesagt.
Zur Debatte stehen seit September „Regionale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (REPAs) zwischen EU und AKP-Ländern. Regierungsunabhängige Organisationen kritisieren diese Absichten. Jens Martens von der deutschen Entwicklungsorganisation WEED wirft der EU vor, mit diesem Vorschlag lediglich die eigenen Interessen zu verfolgen. „Das neue Lomé-Abkommen muß aber vor allem entwicklungs- und nicht WTO-konform sein.“ Die EU plane schließlich nicht, schrieben Organisationen aus Europa, Afrika und Lateinamerika in einem gemeinsamen Memorandum, ihre sensitiven Bereiche wie Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungen der externen Konkurrenz zu öffnen. Die Lomé-Regeln WTO-kompatibel zu machen sei so lange nicht sinnvoll, bis die WTO und ihre Regeln entwicklungsverträglich gestaltet seien.
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