: Bodensanierung ohne Anfassen
Mit einer neuentwickelten Anlage entsorgt Hein Gas in Bergedorf eine hochgiftige Altlast aus 100 Jahren Industriegeschichte ■ Von Gernot Knödler
Hat er doch tatsächlich davon getrunken! Wenn auch nur aus der flachen Hand und ganz schnell. Hat eben nur fast Trinkwasserqualität, was da aus der neuen Bodensanierungsanlage von Hein Gas in Bergedorf läuft, und Geschäftsführer Rolf Günnewig will den Hamburger Gaswerken noch eine Weile vorstehen.
Binnen fünf Jahren soll die Anlage den Boden unter dem Sitz der Norddeutschen Energietechnik entgiften. Weil niemand dafür umziehen muß, hofft die Beratungsfirma Hein Gas Consult (HGC), ihr Know-how aus dem Projekt für Sanierungsvorhaben anderswo verkaufen zu können.
Auf dem Gelände in Bergedorf erzeugte eine Kokerei von 1907 bis 1945 Stadtgas aus Kohle. Außerdem produzierte der Betrieb, der Ende der 30er Jahre von Hein Gas übernommen wurde, Koks und verschiedene Arten von Rohteer. Im Laufe der Jahrzehnte sickerten aus den Anlagen giftige Aromate wie Benzol und Naphtalin, Cyanide sowie Schwermetalle ins Erdreich. Bis in 30 Meter Tiefe sind sie in hohen Konzentrationen zu finden. Das Grundwasser in 35 Meter Tiefe ist durch eine Lehmschicht geschützt. Weil es für Hein Gas nicht in Frage kam, die Gebäude auf dem Gelände abzureißen, konnte der Boden nicht ausgehoben und zu einer Bodenwaschanlage transportiert werden. Stattdessen mußte das Erdreich an Ort und Stelle saniert werden.
Nachdem der stark vergiftete Bereich durch Messungen eingegrenzt war, wurden acht Brunnen gebohrt, durch die sauberes Wasser ins Erdreich sickert, und vier Brunnen, durch die das vergiftete Wasser wieder herausgepumpt und in die Reinigungsanlage geleitet wird. Der größere Teil des gesäuberten Wassers läuft zurück in den Boden für einen neuen Zyklus, der kleinere ins öffentliche Abwassernetz.
Auf seinem Weg durch die giftige Erde nimmt jeder Liter Wasser 20 Milligramm Cyanide (die Salze der Blausäure) und 110 Milligramm Aromate auf. Die dreistufige Anlage reduziert ihre Konzentrationen auf 0,02 und 0,05 Milligramm – unter den vorgeschriebenen Grenzwert, was Günnewig den Mut zu seiner Demonstration unter den Augen des grünen Umweltsenators Alexander Porschke gegeben haben muß.
Für die Bodensanierung wurden 1988 beim Verkauf der damals städtischen Gaswerke Rückstellungen gebildet, wie der technische Geschäftsführer der HGC, Peter Uhl sagte. Für den „hohen siebenstelligen Betrag“ muß also letzten Endes der Steuerzahler in die Tasche greifen.
Die HGC hofft, das bei der Entwicklung des Verfahrens erworbene Wissen vermarkten zu können. Das System sei interessant, „weil wir damit in der Lage sind zu sanieren, ohne den Boden anzufassen“, sagte Uhl. Gerade bei alten Gaswerken sei es oft nicht möglich, den kontaminierten Boden auszuheben, weil die Werke mitten in den Städten lägen. Daß diese Marktnische sehr groß ist, wird von Fachleuten freilich bezweifelt.
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