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Preiskrieg: Stahlwerke – Stadtwerke

■ Streit um Strompreis: Stahlwerke und Preag setzen Stadtwerke unter Druck / Wenn der Liefervertrag ausläuft, wird dies Auswirkungen auf Aktienkurs und Bremer Haushalt haben

Es herrscht Funkstille zwischen den Bremer Stahlwerken und den Stadtwerken. Die beiden bremischen Großunternehmen mit tau-senden von Arbeitsplätzen bekriegen sich nach allen Regeln der Kunst. Es geht um zweistellige Millionensummen. Selbst ein Vermittlungsversuch des obersten Bremer Industriepolitikers, Ulrich Keller, der als Senatsrat im Finanzressort wesentlich an der Rettung der Stahlwerke beteiligt war und auch an der Privatisierung der Stadtwerke, blieb erfolglos, teilte Stadtwerke-Chef Gerhard Jochum am Rande der jüngsten Bilanzpressekonferenz mit.

Dabei geht es unter anderem um die Lieferung des Stadtwerke-Stromes an die Stahlwerke – der Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Wenn die Stahlwerke diesen Vertrag nicht verlängern, sondern von einem anderen, preiswerteren Lieferanten ihren Strom beziehen, würden die Stadtwerke auf einen Schlag ein Drittel ihres Absatzes verlieren. Bei den Stahlwerken heißt es dazu nur: „Wir stehen mit einer Reihe von möglichen nationalen und internationalen Vertragspartnern in Verhandlungen“, so Sprecher Hans-Jürgen Blöcker. Auch mit den dann fällig werdenden Durchleitungsgebühren sieht er kein Problem. „Diese Kosten sind nicht so entscheidend.“

Um das Risiko eines potentiellen Stahlwerke-Verlustes als Kunden abzufedern, wollten die Stadtwerke einen umfassenden „Beschaffungsvertrag“ mit der Preag schließen: Der Preag-Konzern, so die Idee, sollte den gesamten Strom, der in bremischen Kraftwerken produziert wird, kaufen und an die Stadtwerke gerade soviel zurückliefern, wie die Stadtwerke verteilen. Diese Vereinbarung, mit der die Stadtwerke das Stahlwerke-Risiko losgeworden wären, ist seit Monaten nicht zustande gekommen. Jochum erklärte den Hintergrund: „Die Preag hat selbst Überkapazitäten, sie würde den Bremer Strom nur kaufen, wenn dieser sehr billig wäre.“ Was er nicht ist – die Kraftwerke sind vergleichsweise teuer.

Dritter Streitpunkt ist das „Gichtgas“ aus den Hochöfen, das die Stahlwerke an die Stadtwerke verkaufen. Seit 1996 wollen die Stadtwerke deutlich weniger dafür bezahlen, in erster Instanz gewannen die Stahlwerke vor dem Landgericht, in zweiter Instanz die Stadtwerke. Nun liegt der Rechtsstreit um den Preis vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dieser muß entscheiden, ob der Revision stattgegeben wird. Wenn dies der Fall ist, fällt der BGH entweder selbst ein letztinstanzliches Urteil oder verweist die Angelegenheit zurück an das OLG Bremen.

Die drei Streitpunkte hängen in komplizierter Weise zusammen – und bei jedem Punkt geht es um sehr viel Geld und schließlich um Arbeitsplätze. Die Uhr läuft, am 31. Dezember muß eine Entscheidung gefallen sein. Auch deswegen schaltete sich BIG-Geschäftsführer Ulrich Keller ein. Aber bisher vergeblich. Die Funkstille zwischen den Unternehmen bedeutet: Es wird bis zur letzten Minute gepokert. Und die Stadtwerke sind in besonderer Weise unter Druck: 31,57 Prozent der Aktien-Anteile sind derzeit bei der Landesbank „geparkt“ und sollen bald verkauft werden, um industrielle Partner ins Boot zu bekommen. Aber solange der Streit mit den Stahlwerken nicht entschieden ist, kann niemand genau sagen, was die Stadtwerke-Aktien wirklich wert sind. Der Senat hat dem Haushaltsausschuß erklärt, die Dividende der Stadtwerke-Aktien werde auch in diesem Jahr eine „marktgerechte Verzinsung“ der 175 Millionen Mark bringen, mit denen das Land in der vergangenen Woche ein Aktienpaket gekauft hat (vgl. taz vom 22.7.). In diesem Punkt war der Stadtwerke-Vorstandsvorsitzende Jochum auf der Bilanzpressekonferenz allerdings sehr viel vorsichtiger gewesen.

K.W.

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