: Gewerkschaftskrach bei STN Atlas
■ IG Metall und DAG verhandeln getrennt über Arbeitszeitkonten
Im Betriebsrat von STN Altlas Elektronik knirscht es im Gewerkschaftsgebälk. Vordergründig geht es um Arbeitszeitkonten und die Abschaffung der Stempeluhren zugunsten von selbstkontrollierter „Vertrauensarbeitszeit“. Die Geschäftsführung fordert langfristige Arbeitszeitkonten mit 500-Stunden-Volumen und will, daß die rund 3.300 Bremer STN-Beschäftigten über ihre Arbeitszeiten künftig selbst Buch führen. Beide Gewerkschaften sehen dies kritisch, verfolgen jedoch unterschiedliche Zielvorstellungen.
Darüber kam es jetzt zum Eklat, nachdem die DAG ohne die IG Metall ein erstes Gespräch mit der Arbeitnehmerseite führte. Hintergründig geht es den beiden im Haus vertretenen Gewerkschaften möglicherweise um Macht. Der erste Knacks im gewerkschaftlichen Machtgefüge bei STN kam im vergangenen Jahr, als die IG Metall bei Betriebsratswahlen deutlich an Einfluß verlor, und die Deutsche Angestelltengewerkschaft DAG (mit ebenfalls acht Betriebsräten, jedoch gestärkt durch die Zustimmung von drei Parteilosen) seitdem den Betriebsratsvorsitzenden stellt: Eine Niederlage für Metaller; aus Sicht der DAG eine vielleicht ausbaufähige Position um zu „punkten“, wenn die DAG in eineinhalb Jahren, gemeinsam mit ÖTV und anderen zur Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vereint, unters DGB-Dach schlüpft. Manche unterstellen der DAG im Elektronik-Haus deshalb, sich profilieren zu wollen. Dies sei der Grund, warum IG Metall und DAG getrennt voneinander mit dem Arbeitgeber über eine Tariföffnung sprachen, beziehungsweise sprechen werden.
Aus Sicht des Bremer DAG-Chefs Werner Klimm dagegen ist das Gespräch, das er am Dienstag dieser Woche mit STN-Chefs führte, während draußen IG-Metaller lautstark ihren Unmut darüber bekundeten, das Gegenteil eines eigenständigen Schachzuges. Per Flugblatt verkündet die DAG-Betriebsgruppe bei STN Atlas Elektronik derzeit: „Weil wir erfahren haben, daß die IG Metall mit der Arbeitgeberseite einen Verhandlungstermin ohne Beteiligung der DAG für den 10. August vereinbart hat, haben wir mit den Arbeitgebern natürlich auch einen Termin abgestimmt.“
Die Verhandlungsführerin der IG Metall, Inge Lies-Bohlmann, sieht das anders. Als der Augusttermin vereinbart wurde, sei sie davon ausgegangen, daß DAG-Chef Klimm teilnehmen könnte. Es handele sich um „einen normalen Verhandlungstermin, um wirtschaftliche Daten von der Geschäftsleitung zu erhalten“. Betriebsrat Michael Ahlman sekundiert: Bereits jetzt gebe es bei STN in Bremen ein jährliches Überstundenquantum von bis zu 400.000 Stunden. „Arbeitszeitkonten sind Kredite der Arbeitnehmer an die Firma.“ Inge Lies-Bohlmann ergänzt: „Wir hätten die Eckpunkte vorher mit der DAG abstimmen können.“
Tatsächlich versuchten die Gewerkschaften seit Mai verschiedentlich, eine Vereinbarung zustande zu bringen – in einigen Punkten erfolgreich. So soll die Überstundenbezahlung ab der 41. Wochenstunde beginnen, Arbeitsstunden, die auf dem Zeitkonto angehäuft werden, sollen im Falle einer Firmenpleite Ersatz geben. Strittig aber blieb der Umfang des im Zuge des Firmen-Zeitmanagements einzuführenden Stundenkontos.
„Die DAG-Tarifkommission konnte den Vorstellungen der IG Metall zum Arbeitszeitkonto nicht zustimmen“, sagt Klimm. Während die DAG bis zu 300 Überstunden auf einem dreijährigen Arbeitszeitkonto zulassen will, will die IG-Metall nur 150 erlauben; lediglich bei über 48jährigen ArbeitnehmerInnen könnte die geleistete Arbeitszeit auf einem Lebenszeitkonto auflaufen. „Ich bin persönlich ein Verfechter von gut gestalteten Arbeitszeitkonten“, sagt Klimm. Die Haltung der IG Metall entspreche dem nicht – und sei angesichts deren Abschlüsse im Umland über langfristige Arbeitszeitkonten nicht verständlich. Die IG Metall argumentiert: „Ausgleich funktioniert nur im überschaubaren Rahmen.“ Dafür sei – auch um Neueinstellungen zu erreichen – Kontrolle nötig. Durch die Blume wird deutlich: Das trauen die Metaller dem Betriebsrat mit seiner DAG-Mehrheit kaum zu. Ebensowenig halten sie die DAG Forderung, befristet keine betriebsbedingten Kündigungen zuzulassen, für nicht durchsetzbar. ede
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